Jahnplatz: Kunstszene trifft sich im stillen Örtchen

In einer ehemaligen Toilettenanlage unter dem Jahnplatz hat der Reinraum-Verein einen Treffpunkt der alternativen Szene geschaffen.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Der Jahnplatz an der Adersstraße ist ein unscheinbarer Ort. Er ist weder besonders schön, noch besonders hässlich — ein Ort, der eine Art Schattendasein führt. Zur einen Seite wurde gerade ein altes Parkhaus abgerissen, ein Bauzaun versperrt hier die Sicht. Zur anderen Seite fällt die Berliner Allee auf, deren Verkehrslärm langsam zerschallend herüberklingt.

Foto: Melanie Zanin

Mittig auf dem Platz führen zwei Treppen in die Tiefe und enden schon nach ein paar Stufen vor einem grasgrünen Gitter. Der Eingang zu einem ganz normalen, in die Jahre gekommenen und mittlerweile geschlossenen Klosett, mag sich manch einer denken. Und tatsächlich: Als Bernard Bückmann vor dem grünen Gitter stehen bleibt und den passenden Schlüssel sucht, bleibt ein verwunderter Rentner stehen. „Haben Sie noch nie eine Toilette gesehen?“, fragt er. „Viele alte Düsseldorfer erinnern sich noch an die Zeit, als die unterirdischen Räume wirklich als Toilette genutzt wurden“, sagt Brückmann.

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Düsseldorfer Unterwelten: Toilettenanlage am Jahnplatz - Das ganz stille Örtchen
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Doch diese Zeiten gehören seit langem der Vergangenheit an. Als er das Gittertor entriegelt hat, geht er die Stufen hinunter und bleibt vor einem großen Spiegel stehen. Der wirkt wie ein magisches Tor zu einer anderen Welt, doch Bückmann dreht sich einmal um 90 Grad zu einer kleinen hölzernen Türe zu seiner Rechten. Im Schatten des massiven Spiegels fällt sie kaum auf, unscheinbar und nüchtern steht sie da — wie so viele der Eingänge in die Welt unter unseren Füßen.

Bernard Bückmann öffnet auch diese Pforte und steht plötzlich dort, wo einst Menschen ihr tägliches Geschäft erledigten. Die rot-weißen Karofliesen zieren noch immer den Boden, die alten Lüftungsrohre verlaufen auch heute noch unter der niedrigen Decke. Es ist ein Ort, in dem Zeit keine Rolle zu spielen scheint, der unberührt der tickenden Uhren geblieben ist.

Wer um die Ecke schaut, erblickt die roten Türen zweier früherer Toiletten-Kabinen, dahinter zwei alte weiße Kloschüsseln. Eine Toilettenbrille liegt auf dem Schüsselrand. Die Klinke der Kabinentüre hängt schlaff nach unten, als hätten die verstrichenen Jahre jegliche Kraft aus ihr gesaugt — ein kleines Anzeichen, dass die Zeit hier vielleicht doch nicht stehen geblieben ist? Es ist übertrieben zu behaupten, dass sich hier unten gar nichts verändert hat — auf den zweiten Blick ist die Behauptung sogar falsch.

Im Jahr 2000 entdeckte Bückmann zusammen mit Freunden die stillgelegte Anlage unter dem Jahnplatz und begann nachzuforschen, was es mit ihr auf sich hat. „Wir haben einfach mal bei der Stadt nachgefragt, ob man die Räume nicht nutzen kann“, sagt Bückmann. Denn der Stadt seien die Räume unter der Erde damals ein Dorn im Auge gewesen: „Eigentlich sollten sie mit Betonplatten für alle Ewigkeit verschlossen werden“, so der Mitgründer des Reinraum-Vereines.

In den 90er Jahren wurde die Toilettenanlage geschlossen, weil sie sich zu einem Treffpunkt der Drogenszene entwickelt hatte. Gut zehn Jahre stand die in den 60ern entstandene Anlage dann leer, bis sie schließlich von der Stadt an Bückmann und die anderen Vereinsgründer vermietet wurde.

Als er die Räume zum ersten Mal betreten habe, habe sich ihm hier ein „Bild des Grauens“ geboten: Rattenkadaver hätten damals den Boden gepflastert, vor der Holztüre hätten im Laufe der Jahre diverse Personen ihr Geschäft erledigt. Mit einem Hochdruckreiniger wurden Ungeziefer und Fäkalien entfernt. Heute steht da, wo einst der Vorraum des Klosetts war, eine kleine Theke, hinter ihr zweigt ein schmaler Raum ab, in dem früher einmal technische Geräte des Hausmeisters lagerten.

Sie sind inzwischen lange verschwunden und Getränkekisten stapeln sich hier auf. Denn der Reinraum ist heute mehr als eine alte Toilettenanlage: Er ist ein Treffpunkt der alternativen Szene, Partylocation und Ausstellungsort für verschiedene Künstler.

„Wir hatten schon ganz verrückte Sachen hier“, sagt Philipp Schiwek vom Verein. So baute 2008 der Künstler Taka Kagitomi im Reinraum eine riesige Rutschbahn durch die alte Toilettenanlage auf, Fotografin Lisa Erb zeigte Bilder ihres Elternhauses, das sie komplett vernebelt hatte. Bei der Installation lief dann jedoch nicht alles wie geplant: Zur atmosphärischen Untermalung wollte Erb die alte Toilettenanlage hier und da mit Schaum dekorieren. Dieser quoll dann aber etwas zu stark auf: „Auf einmal hatten wir eine Schaumparty hier“, erinnert sich Bernard Bückmann.

Und auch heute gibt es immer wieder verrückte Ausstellungen unter dem Jahnplatz. Bezahlen müssen die Künstler die Ausstellungsfläche nicht, wenn ihnen die Location zusagt ist es jedoch Brauch, dass sie dem Verein anschließend ein kleines Abschiedsgeschenk machen. Ein solches ist auch der blau lackierte Ast am Eingang zur unterirdischen Anlage — und wer beim nächsten Besuch etwas sucht, findet immer wieder neue Dinge, die Geschenke der Kunstschaffenden sein könnten. . . “ Morgen: das U-Bahn-System