Kontrollgänge im Bauch der Flughafenbrücke
Wie fast alle Rheinbrücken, ist die Flughafenbrücke in ihrem Inneren hohl. Durch einen Pfeiler gelangt man in drei schier unendlich wirkende Gänge.
Düsseldorf. Die schwere Stahltür am Fuß der Flughafenbrücke knarrt gewaltig, als Andreas Raedt sie öffnet. Ein paar Stufen führen hinein ins Innere des Brückenpfeilers — wie viele es sind, ist nicht zu erkennen, verschwinden die steinernen Sprossen doch schnell im Dunkeln. Die Neonröhren brauchen eine Weile, um den Raum im Inneren zu erhellen, ohrenbetäubendes Donnern dröhnt hier in den Ohren. Raedt, der die Ursache der Geräusche kennt, ist kaum zu verstehen — es sind die Autos, die hier über einen kleinen Spalt fahren müssen, um von der Anschlussstraße auf die Brücke zu gelangen.
„Dieser Spalt muss sein, damit sich die Brücke an die unterschiedlichen Temperaturen anpassen kann“, sagt der Bauingenieur, der die Entstehung der Flughafenbrücke zwischen Düsseldorf und Meerbusch 2002 begleitet hat. Drei lange Gänge durchziehen den Bauch der Flughafenbrücke Zur linken Seite sticht ein seltsam geformter roter Metallkorb ins Auge. Es ist ein Gefährt, um Reparaturarbeiten unter der Brücke durchführen zu können. Doch Raedt geht weiter, bis zu einer schweren Metalltür. Niedrig ist sie, als er sie öffnet, entsteigt ihr ein leicht muffiger Geruch.
Schummrig schimmert es aus dem Türrahmen heraus, man muss den Kopf einziehen und in der Hocke krabbeln, bis sich nach zwei Metern der gewaltige Innenraum der Brücke eröffnet. Sobald ein Wort gesprochen wird, ertönt das Echo des Sprechers — wie lang der Gang ist, ist mit bloßem Auge nicht zu erfassen. Es riecht nach Staub, die Luft ist alt, gerade so, als sei sie lange von keiner Lunge mehr umgewälzt worden.
Und dieser Mittelgang ist nicht der Einzige im Inneren der Brücke — insgesamt gibt es drei Gänge, die einmal über die gesamte Länge der Brücke, mehr als 1200 Meter, begehbar sind. Zwischen ihnen gibt es in regelmäßigen Abständen Durchgänge, Zwischenwände unterteilen die Gänge in viele kleine Kammern, die ebenfalls durch schmale Durchgänge verbunden sind. „So ergibt sich ein höchst symmetrisches System aus Kammern und Räumen“, sagt Norbert Cleve von Straßen NRW, der die Brücke betreut.
Viele denken, das Bauwerk sei komplett mit Beton ausgefüllt — doch die Brücke ist von innen hohl. Es mag seltsam klingen, doch gerade die Hohlräume machen die Brücke stabil. „Wäre der gesamte Körper aus Beton, wäre sie viel zu schwer“, erklärt der Experte. „Überall, wo wir an Masse sparen konnten, haben wir das auch getan.“ Das sei nicht nur im Falle der Flughafenbrücke so, nahezu alle Brücken über den Rhein sind innen hohl. Und es gibt noch weitere Tricks und Kniffe, die bei Bau und Konstruktion der Rheinquerung Anwendung gefunden haben — von innen sind diese sichtbar.
Als Andreas Readt ein Stück im Inneren der Brücke umhergewandert ist, immer geradeaus über Schwellen und durch Torbögen, bleibt er stehen. Düsseldorfer Unterwelten (5) Eine erneute Stahltür versperrt den Weg, hinter ihr sieht es gänzlich anders aus, als im vorherigen Teil der Brücke. Statt roher Betonwände ist hier alles aus anthrazitfarben lackiertem Stahl.
Ein schmaler Steg führt hier hindurch, nur ein dünnes Geländer verhindert einen Sturz in die Tiefe. Unter dem Steg ist der Brückenboden zu erkennen, direkt über den Köpfen fahren die Autos auf der Autobahn. Dass der Mittelteil aus Stahl besteht, hat einen einfachen Grund. Mitten im Rhein kann kein Pfeiler errichtet werden, die gesamte Strecke muss in einem Stück überbrückt werden. „Beton wäre auch hier wieder zu schwer, Stahl ist wesentlich leichter“, sagt Andreas Raedt. Er öffnet eine weitere Tür, hier geht es ein paar Stufen in die Tiefe, zu einem kleinen Podest aus einem Stahlgitter, unten ist das Rheinufer zu erkennen.
Hell ist es hier, von unten dringt das Licht in den Raum hinein. Vier große und gewaltige Muttern sind an einer Wand befestigt — „sie halten die Brücke zusammen“, erklärt der Ingenieur. Eine von ihnen wiegt 140 Kilo. Es sind die Enden der massiven Stahlseile, die die Brücke aufspannen. Ohne sie hatte das Bauwerk kaum Stabilität. Sollte einmal eines von ihnen reißen, wäre das aber kein Problem, die anderen könnten die Last kurzzeitig mittragen.
Raedt verlässt den Raum wieder, geht zurück in den Stahlteil der Brücke, öffnet erneut die schwere Tür und gelangt wieder in den Betonteil der Flughafenbrücke. Auf dem Rückweg kommt er an einer kleinen Luke in der Außenwand vorbei, öffnet sie. „WC“ steht scherzhaft über ihr geschrieben — wer hinabschaut, schaut auf den Fluss, das Ufer, in die Tiefe. 15 Meter über dem Rhein befindet Raedt sich hier.
Eine Nutzung des Innenraums ist übrigens nicht möglich — der Brandschutz verbietet, Sachen abzustellen oder zu lagern, für öffentliche Veranstaltungen fehlen Klos und Fluchtwege. „Das ist schade, aber nicht zu ändern“, sagt Andreas Raedt. Die schwere Türe am Brückenpfeiler fällt mit einem lauten Rums ins Schloss — bis sie wieder geöffnet wird, wird viel Zeit vergehen.