Klassenlose Gemütlichkeit - gewachsen auf engstem Raum

Schon früher wurde gerne in der Altstadt gefeiert. Ein Blick zurück auf die Anfänge und Parkplätze direkt an der Theke.

Düsseldorf. Über mehrere Jahrhunderte waren die heutige Altstadt und angrenzende Stadtteile — bei der Stadtgründung 1288 als fußballfeldgroße „Keimzelle“, dann bis Anfang des 19. Jahrhunderts als Festung — engster Lebensraum für die Bewohner, Händler, Fischer, Schifffahrtsleute, Grafen, Herzöge, Regierungsbeamte, Soldaten und viele mehr.

In etlichen Reiseberichten wird von dem Charme und der Attraktivität der Stadt erzählt. Auch nach Schleifung der Festungsmauern und nach einer rasanten Erweiterung als Großstadt (1882 waren es 100 000 Einwohner) steckte in den Düsseldorfern immer noch das Bedürfnis, sich im Kern der Stadt dem Müßiggang, der Unterhaltung und dem gemütlichen Zusammensein hinzugeben.

Die mittlerweile vielen neuen „Fremden“ — Industriearbeiter, Messebesucher, Künstler — lernten den Umstand zu lieben, dass sich unterschiedlichste Menschen auf engstem Raum trafen, miteinander aßen und tranken, diskutierten, lachten und ganz einfach „Spaß an der Freud’“ hatten. So wurden sie ständige Gäste dieser sich mehr und mehr öffnenden Lebensweise, die für jeden Geschmack, jede Herkunft, jeden Stand alles parat hatte, um sich von der Arbeit zu erholen und zu feiern.

Wer sich in die Geschichte der Hausbrauereien und kleinen urigen Kneipen oder Gaststätten aus den Zeiten der Industrieentwicklung oder den „Goldenen Zwanzigern“ einliest, der trifft auf Eingeborene, „Dahergelopene“, Gäste aus Nah und Fern, Tagesausflügler, Ärzte, Hafenarbeiter, Ratsherren, Künstler, Verliebte oder Genusssüchtige.

Sie alle wollten sich auch jenseits des Brauchtums Karneval mit rheinischem Frohsinn vergnügen. Ständig steigende Gästezahlen bestätigten die fast magnetische Anziehungskraft dieses halben Quadratkilometers direkt am Rhein.

Auch die zerstörerischen Zeiten beider Weltkriege und wirtschaftliche Not konnten diese klassenlose Gemütlichkeit nicht auf Dauer aus dem Alltag der Düsseldorfer vertreiben. Dazu gehörte sie zu lange zum Leben in der Stadt und bildete eine zu sehr geliebte „Insel“ mitten in einer quirligen Weltstadt.

Nachdem die Trümmer des schrecklichen Krieges beiseite geräumt waren, arbeiteten „Fremdenverkehrsfachleute“ und alteingesessene Wirte wieder daran, die ursprüngliche Atmosphäre in der Altstadt wiederherzustellen.

Dazu dienten auch autogerechte Zufahrten direkt an die Zapfhähne und zu Flönz und Düsseldorfer Senf. So warb man mit Parkplätzen direkt am Haus, etwa — wie auch schon in den 1930er Jahren — der „Kurfürst“ in der Flinger Straße. Das war ideal, um „stons Foos“, also stehenden Fußes ein Bierchen zu zischen.

„Kuriosum Altstadt. Deftiges Rheinland, gemischt mit gallischem Charme. Ein Viertel, in dem jeder das findet, was er sucht: Vom Opa, der in der gemütlichen Altbierpinte erzählen kann, warum Kaiser Wilhelm ein Garderegiment von Krefeld nach Düsseldorf verlegt hat, bis zum Teenie-Weenie-Töchterlein, das den Ausweis in der Tasche tragen muss, um notfalls beweisen zu können, dass sie gerade schon 16 ist.“ So stand es 1968 in einem Altstadt-Report, der die Altstadt als „größtes zusammenhängendes Vergnügungszentrum Mitteleuropas“ bezeichnete.

Zur gleichen Zeit konnte die Altstadt durch den Werbespruch „längste Theke der Welt“ sofort und eindeutig „lokal“-isiert werden. Es sind aber nicht nur an die 300 Lokalitäten zu finden, sondern auch Geschäfte, Kulturinstitute, Galerien, Verwaltungseinrichtungen, Denkmäler und Kirchenbauten.

Im „Merian Düsseldorf“ stand dazu: „Diese Altstadt ist ein Kosmos, für den das Prädikat „auf engstem Raum“ reserviert bleibt: im Westen der Rhein, im Osten die Heinrich-Heine-Allee mit dem Hofgarten, im Norden die Kunstakademie, im Süden Banken und die Mannesmann-Verwaltung. Was dazwischen liegt ist in wenigen Minuten zu bewältigen. Um es kennen zu lernen, braucht man jedoch Tage, Wochen, Monate . . .“

Das gilt auch heute noch für die alten Gaststuben, wo sich teilweise über Jahrhunderte hinweg wenig geändert hat. Obwohl die mittlerweile auf 600 000 Einwohner zusteuernde Landeshauptstadt genügend erstklassige gastronomische Angebote in der ganzen Stadt anbietet, behauptet sich immer noch das Bedürfnis über alle Generationen und Nationalitäten hinweg, „mal wieder in die Altstadt zu gehen“.