Lena schlägt sich gut, Anke noch besser

Düsseldorf (dpa) - Um 22.15 Uhr hängt noch einmal die ganze Grand-Prix-Nation an ihren Lippen. Lena schaut verrucht in die Kamera, haucht mystisch „Taken By A Stranger“ und wirkt so schrecklich erwachsen.

No more Göre, Lena?

Als sie drei Minuten später die Bühne verlässt, ist das so etwas wie ein Abgang. Es könnte ihr letzter ganz großer Auftritt gewesen sein.

Diesmal keine „twelve points for Germany“, keine vor Nervosität an der Deutschlandflagge knabbernde Lena. Diesmal nur oberes Mittelfeld. Es war zwar ein Abend, an dem es viele Komplimente für eine Deutsche gab, doch diese Deutsche hieß Anke. Anke Engelke. Die parlierte so bravourös auf Englisch und Französisch, war so locker und witzig, dass ihr ein Juryvorsitzender nach dem anderen versicherte, wie „amazing“ und „wonderful“ sie sei. Das hat zwar irgendwie Tradition beim Grand Prix, aber war diesmal schon auffällig.

Lena selbst kam während der Punktevergabe gar nicht mehr ins Bild. Sie hat immer wieder gesagt, dass ihr das nichts ausmachen würde. „Mittelmaß ist normal“, betonte sie im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. „Und dann gibt es Zeiten, da läuft's besonders gut, und andere, da läuft's besonders schlecht. Und deshalb ist es für mich überhaupt kein Problem, auch mal Mittelmaß oder schlecht zu sein.“

War es falsch, dass Lena dieses Jahr noch einmal angetreten ist? Unter finanziellem Gesichtspunkt ist die Antwort eindeutig: Nein. Denn ohne die massive Werbung bei „Unser Song für Deutschland“ wäre ihr Album kaum sofort auf Platz 1 geschossen.

Und die ideelle Seite? Zwangsläufig wird sie ihren Landsleuten nun nicht nur als die grandiose Gewinnerin von 2010 in Erinnerung bleiben, sondern auch als die solide Zehntplatzierte von 2011. Und das Bild von der unbekümmerten, leicht abgedrehten Abiturientin, die alles nicht so ernst nimmt, hat sich dieses Jahr verändert.

Aus Lovely Lena ist ein Medienprofi geworden, der Interviews in Serie gibt. In der vergangenen Woche bildete die schmale junge Frau in Düsseldorf das Zentralgestirn eines kleinen Sonnensystems, um das sich ohne Unterlass Journalisten, Kameraleute, PR-Menschen und Musikexperten drehten. Das entfernte sie ein wenig von den Fans: Während Lena häufig abgeschirmt wurde, gaben sich ihre Konkurrenten im Pressezentrum und bei Fan-Events die Klinke in die Hand, herzten die ESC-Gemeinde, ließen sich fotografieren und trällerten einfach mal so drauflos.

Aber jetzt ist der Düsseldorfer Grand Prix vorbei und für Lena beginnt eine ganz neue Zeit, schließlich ist sie keine Kate Middleton, der Aufmerksamkeit bis zum Staatsbegräbnis garantiert ist. Zwar sagt sie immer, dass Tusch und Fanfare ihr nicht wichtig seien, aber ohne Zweifel hat sie den Ehrgeiz, keine zweite Nicole zu werden. Noch in diesem Jahr geht sie wieder auf Tournee, allerdings nicht mehr durch die Arenen, sondern durch Clubs und kleinere Hallen. Vielleicht gelingt es ihr, sich eine feste Fangemeinde zu erhalten. Das wäre ihr zu gönnen. Aber das Li-La-Lena-Land ist jetzt Geschichte.