Pfingstangriff: Bomber legen Düsseldorf in Schutt und Asche
Der größte Luftangriff der Alliierten auf Düsseldorf fordert viele Todesopfer. In 80 Minuten fallen allein 225000 Brandbomben auf die Stadt.
Düsseldorf. Als die Bomben fallen, ist Ernst Dominick mit seinen acht Jahren noch ein Kind. Im zweiten Teil der WZ-Serie über den Pfingstangriff erinnert sich der heute 78-Jährige an den Luftangriff. In einem Keller an der oberen Saarbrücker Straße versteckt er sich mit seiner Familie, als das Inferno losbricht. „Der Angriff war massiv und hat sehr lange gedauert. Wir haben dagesessen und gehorcht, wo die nächste Bombe einschlägt“, erinnert sich Dominick an die Pfingstangriffe der britischen Royal Air Force.
Für den Achtjährigen war die Gefahr damals räumlich nah, aber gedanklich fern. „Es war eine blockierte Angst, mit der wir gelebt haben. Wir haben vieles ausgeblendet, wie in einem Tunnel“, sagt der langjährige Beisitzer des Heimatvereins Derendorfer Jonges. Beim Pfingstangriff hatte seine Familie Glück: „Der untere Teil der Saarbrücker Straße, der in Richtung Rheinmetall führte, die Frankenstraße oder die Geistenstraße waren völlig zerstört. Ich habe damals zum ersten Mal Tote gesehen. Unser Haus wurde nur durch Sprengbomben in Mitleidenschaft gezogen.“
Die britischen Bomber kommen in der Nacht. Es ist Pfingstsamstag, 12. Juni 1943, 1.15 Uhr, als das Dröhnen der Motoren über der Stadt zu hören ist. Die Attacke wird eine der heftigsten des Zweiten Weltkriegs in Nordrhein-Westfalen. In 80 Minuten fallen 1300 Spreng- und 225000 Brandbomben auf die Stadt und ihre Bewohner. Die Bilanz ist verheerend: 1200 Menschen sterben, fast 2200 werden verletzt. Rund 9000 Häuser brennen aus — damit wird gut ein Viertel der Häuser im Stadtzentrum zerstört.
Düsseldorf ist damals von großer Bedeutung für die deutsche Kriegsindustrie und deshalb auch für die Alliierten. Im Ruhrgebiet werden Rohstoffe abgebaut, in Düsseldorf verwaltet und veredelt. Neben Rheinmetall produzieren Firmen wie Mannesmann, Haniel & Lueg, Phoenix und andere zwei Drittel der für Kanonen eingesetzten Stahlrohre. Mit dem 15. Mai 1940 beginnen die Bombenangriffe, an deren Ende eine zerstörte Stadt steht.
Nachtangriffe, Fehlalarme und Fliegeralarme, die nicht Düsseldorf, sondern anderen Städten gelten, lassen keine Erholung zu. Im Laufe der Zeit werden die Düsseldorfer durch die ständigen Angriffe zermürbt. Zwangsarbeiter werden gezwungen, Leichen, verschüttete Menschen und Blindgänger zu bergen, Luftschutzbunker zu bauen und Reparaturen auszuführen. Arbeiter und Material sind schnell knapp, so dass der Wiederaufbau von zerstörten Häusern nicht mehr geleistet werden kann. Vor allem der Pfingstangriff hinterlässt Spuren — nicht nur im Stadtbild, sondern vor allem auch in den Köpfen der Überlebenden.
Im Buch „Bombenkrieg über Düsseldorf“ von Olaf Steinacker, das 2003 von der WZ herausgegeben wurde, haben viele Zeitzeugen ihre Erinnerungen festgehalten: „Trümmer lagen auf der Straße, Häuser brannten, es war hell wie am Tag. Man konnte Leute schreien hören, die ihre Verwandten suchten“, sagt Friedrich Voscht, der den Angriff an der Jahnstraße miterlebte. „Draußen war die Hölle los. Der nächtliche Himmel war ein einziger Feuerball, die Stadt brannte lichterloh“, erinnert sich Herbert Ahlefelder (15). Viele Menschen überleben den Pfingstangriff nicht. „Wir haben im Keller an der Maurenstraße die Explosion gehört. Getroffen wurde das Haus an der Lützowstraße. Die im Keller Verschütteten haben wir auch am nächsten Tag noch lange rufen hören. Es war nicht möglich zu helfen. Professionelle Hilfe kam zu spät, weil sie nach dem Großangriff überall gebraucht wurde“, sagt Loni Mense.
Die damals 22-jährige Marianne Schleimer verliert infolge der Angriffsnacht ihren Verlobten, die Schwiegereltern und ihren Schwager. „In Oberbilk brannten ganze Straßenzüge erbarmungslos nieder. Da gab es kein Entrinnen mehr. Der Asphalt auf den Straßen kochte und lief in die Gullys“, sagt Herbert Ahlefelder.