Düsseldorf Schulz:„Man kann mir keine Ansagen machen“

Erste Bilanz nach drei Monaten: Der Schauspielintendant freut sich über begeisterte Theaterzuschauer und befürchtet neue Sanierungs-Debatten.

Foto: Sergej Lepke

Herr Schulz, knapp 20 Premieren in drei Monaten liegen hinter Ihnen. Wie läuft Ihre erste Spielzeit als Generalintendant in Düsseldorf?

Wilfried Schulz: Das Allertollste ist, dass das Publikum bei uns ist — mengenmäßig aber auch mit ihren Köpfen, ihren Herzen und ihren Seelen. Die Vorstellungen sind gut gefüllt mit Menschen aus verschiedenen Schichten dieser Stadt. Ja, wir sind angekommen.

Sie haben einen großen Aufwand betrieben. 200 Tonnen Sand waren notwendig für das Bühnenbild von „Gilgamesh“ im Theaterzelt an der Kö. Und das für nur knapp zwei Monate.

Schulz: Der Aufwand für die beiden Eröffnungspremieren im Zelt hat sich gelohnt. „Gilgamesh“ und „In 80 Tagen um die Welt“ haben beide eine große Aufmerksamkeit gefunden. Das Theater war mitten in der Stadt.

Mit den Zahlen sind Sie zufrieden. Wie nehmen Sie das Publikum wahr?

Schulz: Die Presse fragt normalerweise nach dem Problempublikum in Düsseldorf, diesen spröden, leicht arroganten und nicht ganz einfachen Zuschauern. Diese Erfahrung haben wir nicht gemacht. Das Publikum ist enorm zugewandt, es möchte Theater. Selbst wenn bei „Gilgamesh“ der Sand flog und das Wasser spritzte, habe ich nur eine Reinigungsrechnung bekommen. Die Leute freuen sich über das Ensemble, das höre ich immer wieder.

Was ist nicht aufgegangen?

Schulz: Das ist so, als würden Sie einen Familienvater fragen: Na, mit welchem Kind haben Sie denn am meisten Schwierigkeiten? Das kann man nicht beantworten.

Okay, aber wo wäre mehr möglich gewesen?

Schulz: Wir hatten ein in der Kritik durchaus zwiespältig beurteiltes „Käthchen“, was ich eine außergewöhnliche Inszenierung finde - vom Ansatz und von der Ästhetik her. Es ist eine ganz andere Art von Theater, das mögen wir im Haus sehr. Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass Stoffe, die sich mit der Stadtgesellschaft beschäftigen, das etwas direkter tun als etwa im „Revisor“.

In Ihrem Theater spielt sich nicht nur Schauspiel ab, es geht auch um die Zukunft des Schauspielhauses am Gründgens-Platz. 600 Menschen kamen zur Podiumsdiskussion mit Ihnen und dem Oberbürgermeister, der ausgebuht wurde. Für Sie gab es Applaus. Wie hat sich das angefühlt?

Schulz: Der Intendant ist nicht dafür da, um Applaus zu bekommen. Der steht den Schauspielern, Regisseuren und dem Team zu. Aber ja, ich erfahre von allen Seiten eine große Bestätigung und Solidarität mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus und ich will nicht sagen, dass ich das fürchterlich finde.

Herr Geisel ist eine Person, die gerne vorprescht. Wie ist Ihr Verhältnis? Immerhin ist er Ihr Vorgesetzter.

Schulz: Es gibt aber auch die Freiheit der Kunst und deshalb sind Intendanten relativ unabhängige Menschen. Man kann mich nach fünf Jahren in die Wüste schicken, aber man kann mir keine Ansagen machen. Wir reden miteinander, das geht gut.

Sie müssen sich schon zurückhalten oder?

Schulz: Natürlich bin ich als Kulturbürger und Steuerzahler, als Düsseldorfer und als Intendant entsetzt darüber, dass in dieser Stadt mal eben eines der größten Kulturinstitute Nordrhein-Westfalens in Frage gestellt wird.

Der Rat hat inzwischen weiteren Sanierungsplänen zugestimmt. Alles gut also?

Schulz: Um die Relation zu sagen: Es sind 750 000 Euro freigegeben worden für die Planung. Das ist gut so. Aber wenn die Kosten festgestellt sind, wird sich das in einem zweistelligen Millionenbereich bewegen. Das weiß jeder. Dann wird dieselbe Debatte wieder losgehen.

Warum braucht Düsseldorf ein Stadttheater dieser Art?

Schulz: Jede Studie sagt, Kultur und Kunst gehören zu den Räumen, in denen sich sehr unterschiedliche Menschen begegnen und austauschen können, darüber, wie man die Welt sieht - und das, ohne sich den Kopf einzuschlagen. Jeder investierte Euro dient der Gesellschaft unmittelbar.

Manche sagen, für den Intendanten spielt Geld wohl keine Rolle?

Schulz: Man hat mich für ein Haus engagiert, das in den vergangenen Jahren in der Krise steckte, mit dem Auftrag, das Theater mitten in der Stadt in großer Lebendigkeit zu positionieren, zu öffnen und künstlerisch in der deutschsprachigen Theaterlandschaft zu etablieren. Wenn man das will, muss man auch die Bedingungen dafür schaffen, die übrigens nicht nur und immer mit Geld zu tun haben. Ich frage Stadt und Land immer wieder: Ist das eigentlich noch euer Wunsch? Und dann kommt stirnrunzelnd so etwas wie „doch eigentlich ja“.

Wo liegt denn Ihre Grenze, was die Ausgaben angeht?

Schulz: Die Grenze bestimme ich ja nicht, ich bin kein feudaler Herrscher. Es gibt Analysen zu dem, was ein großes deutsches Stadttheater kostet. Diese Zahlen sind öffentlich, viel diskutiert und den Politikern bekannt. Wir reden über die großen vergleichbaren Landeshauptstädte. Ich hoffe, dass sich Düsseldorf aus diesem Reigen und von diesem Anspruch nicht verabschiedet. Das würde eine Grundübereinkunft der zivilisierten Stadtgesellschaft in Frage stellen.

Sie haben die Bürgerbühne als neue Sparte in Düsseldorf eröffnet. Es gibt Formate wie das Bürger-Dinner in Kooperation mit der WZ, bei dem Bürger eingeladen sind, zusammen zu essen, zu diskutieren und Theater zu erleben. Warum?

Schulz: Wir wollen Formen der Teilnahme kreieren. Der Übergang zwischen Professionalismus und kindlicher Lust am Spielen eines jeden Menschen, das war immer schon nah beieinander. Wir wollen einladen und sagen: Ihr könnt dabei sein. Ob im „Sommernachtstraum“ mit Jugendlichen, an einem Begegnungsort mit Flüchtlingen oder beim sehr schönen, lustvoll kontroversen Bürger-Dinner - Theater ist ein warmer Ort der Begegnung. Dafür muss man manchmal auch die Trennung, die „vierte Wand“ wie wir sagen, aufgeben. Das nehmen die Leute hier übrigens mit Begeisterung auf.

Was ist Ihr Ziel für diese erste Spielzeit?

Schulz: Das Ziel definiert sich mit jeder Inszenierung neu. Ein übergreifendes Ziel ist, sich mehr auf Theater konzentrieren zu können und die Kunst in den Mittelpunkt zu bringen. Und nicht so viel auf Podien die eigene Berechtigung zu verteidigen.