Walter Brune: 60 Jahre Architekt mit Leib und Seele
Walter Brune (85) arbeitet immer noch zwölf Stunden am Tag. Sein Meisterstück ist die Kö-Galerie. Bis heute ist ihr Konzept aktuell.
Düsseldorf. Andere Männer haben in seinem Alter schon 20 Jahre Ruhestand hinter sich. Doch das ist nichts für Walter Brune. Der 85-Jährige ist Architekt mit Leib und Seele — er kann es nicht lassen. Doch, er trete wohl kürzer, versichert er auf Nachfrage mit treuherzigem Augenaufschlag: „Ich arbeite täglich nur noch zwölf statt 14 Stunden.“
Wahrheit? Koketterie? Der Schreibtisch in seinem Haus am Aaper Wald jedenfalls sieht nach viel Arbeit aus, Papiere stapeln sich, Büro-Utensilien liegen herum, das Fax spuckt neues Papier aus — und der Esstisch im Raum nebenan bietet den gleichen Anblick. Müßiggang sieht anders aus. Dabei könnte es sich Walter Brune problemlos leisten. Das Manager-Magazin führt ihn auch dieses Jahr in der Liste der 300 reichsten Deutschen.
Doch das Geldverdienen war für Brune nur ein angenehmer Nebeneffekt seiner Arbeit, vielleicht noch Gradmesser für den eigenen Erfolg. Doch im Grunde seines Herzens ist der gebürtige Bremer von einer Idee beseelt, die er mit fast schon missionarischem Eifer vorträgt und die jetzt 25-jähriges Bestehen feierte — in Form der Kö-Galerie. Die war sein Meisterstück, vorläufige Krönung einer bis dahin schon beachtlichen Karriere als Architekt.
1950 hatte sich Brune im Alter von 24 Jahren selbstständig gemacht („auf meiner ersten Bilanz standen 100 Mark links und 100 Mark rechts“), nach zweijähriger Praxis beim bekannten Architekten Gustav August Munzer (u.a. Marine-Ehrenmal Laboe bei Kiel). Rasch etablierte er sich mit dem Bau von Wohn-Bungalows im Bauhaus-Stil und Industriegroßprojekten (Kraftwerke, Fördertürme etc). Später kam er zur Handelsarchitektur: 20 Jahre lang baute Brune Kaufhäuser für Karstadt. 1973 eröffnet das von ihm geplante Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim, das erste überdachte Einkaufszentrum nach amerikanischem Vorbild in Deutschland.
Für Brune ein Schlüsselerlebnis: Heute betrachtet er die Riesen-Mall (rund 100 000 Quadratmeter Verkaufsfläche) als Sündenfall. Die Massierung von so viel Einzelhandel auf der grünen Wiese führe zu einer Verödung der Innenstädte, weil dort zu viel Kaufkraft abgezogen werde. Seinen Gegenentwurf präsentierte er 1986: die Stadtgalerie, der Proto-Typ eines neuartigen Einkaufscenters, das den Start eines internationalen Trends markiert.
„Die Stadtgalerie ist kein Einkaufscenter, sondern eine überdachte Einkaufsstraße — angelehnt an die Einkaufsgalerie ,Via Vittorio Emanuele’ in Mailand aus dem 19. Jahrhundert“, erklärt Brune. Sie werde mit möglichst vielen Eingängen in bestehende Bebauung integriert — im Gegensatz zu geschlossenen Shoppingcentern, Typ Düsseldorf Arcaden.
Wert legt Brune darauf, dass in der Stadtgalerie ergänzende Sortimente zum bestehenden Handel etabliert werden statt konkurrierender. Und: „Eine Stadtgalerie ist wie ein urbaner Raum: Kunst und Kultur, Freizeit und Fitness, das alles gehört dazu.“
Die Forderung nach Kultur ist bei Brune kein Lippenbekenntnis, kein schönes Etikett fürs harte Geschäft. Er malt selbst, am liebsten im Urlaub. In seinem Haus hängen Werke von Lyonel Feininger. Die Kö-Galerie hat er mit Skulpturen, Gemälden und Mosaiken ausgestattet — im Wert von fünf Millionen D-Mark. Das Konzept, nach dessen Leitlinien später auch die Schadow Arkaden gebaut wurden, avancierte zum Exportschlager. „Da kamen sogar Experten aus den USA angereist, um sich das anzusehen“, erinnert sich Brune. Weltweit werden bis heute Einkaufscenter dieser Art gebaut, etwa in Singapur.
Brune ist nach wie vor gut im Geschäft, in Düsseldorf kümmert er sich etwa um sein Projekt Prinzenpark im Linksrheinischen, wo der fünfte Bauabschnitt gerade fertig ist und ein sechster bald folgen soll. Auch das Bürocenter Nord, mehrere Immobilien auf der Schadowstraße und das Airport Trade Center führt er weiter. Die Kö-Galerie aber verkaufte er 2006 — und zwar an den Shoppingcenter-Betreiber ECE/Merriyll Linch, „weil das Profis sind“.
Doch der von ECE forcierte Umbau treibt Brune die Zornesröte ins Gesicht. „Das wird hergerichtet wie ein einfaches Shoppingcenter in Rumänien. Die wissen gar nicht, dass sie auf der Kö sind“, klagt er. Er kann nicht finden, dass die Kö-Galerie optisch in die Jahre gekommen sei. „Das Interieur mit all dem Messing war einfach nur klassisch, das hätte man dauerhaft so lassen können. Jetzt ist alles einfach, weiß und abwaschbar.“ Das Verschwinden des Kinosaals bedauert er, dass vieles von der Kunst entsorgt worden ist, lässt ihm das Herz bluten — mehrere Tauben aus Jura-Stein, die einst die Galerie zierten und beim Umbau auf dem Müll landeten, hat Brune gerettet und in seinen Garten gestellt.
Haus und Garten sind ohnehin Brunes ganzer Stolz. Bis 1954 baute er den Bungalow im Bauhaus-Stil — hierzulande der erste nach dem Krieg, wie er betont — nahe der Ratinger Stadtgrenze. Das Wiesen- und Feuchtgebiet wurde trockengelegt und in einen Park mit Bächen und einem See umgestaltet. Das Haus steht inzwischen unter Denkmalschutz.
Der Hausherr indes ist agil wie eh und je — und lässt sich selbst nicht durch einen Sturz auf einer Treppe aufhalten. Krankenhaus, OP — und kurze Zeit später steht er doch wieder auf der Bühne. Die Halsstütze legt er fürs Foto allerdings ab, so viel Eitelkeit darf sein. Nein, dieser Mann denkt noch lange nicht ans Aufhören . . .