Wehrhahn-Linie: Archäologen forschen in den U-Bahn-Baustellen
Sie nennen sich selbst „Detektive der Geschichte“ und setzen aus Scherben ein Stück Stadthistorie zusammen.
Düsseldorf. Sechs Meter unterhalb der Stelle, wo früher der Brunnen auf dem Corneliusplatz plätscherte, graben derzeit die Archäologen. Kühl ist es hier, der Boden riecht faulig. Vor 125 Jahren floss das Wasser des Kö-Grabens noch von hier in den Hofgarten, jetzt ragen rostiges Metall, zerbrochenes Porzellan und altes Steingut aus dem Boden.
Vorsichtig legt Iris Reuter die Überreste mit der Kelle frei. Dort unten ist sie in ihrem Reich, denn sie ist eine der Archäologen, die den Bau der Wehrhahn-Linie begleiten. Neben ihr steht ein Eimer, bis zum Rand gefüllt mit Fundstücken. Ergebnisse eines Arbeitstages? "Nein, das ist die Ausbeute von 15 Minuten Arbeit mit dem Bagger", sagt Reuter. Für Feinarbeit bleibt wenig Zeit. In diesen Tagen müssen die Archäologen die Grube verlassen haben. Dann wird die Grube zum Startschacht der Wehrhahn-Linie ausgebaut.
Was aus dem Boden kommt, wird in den Containern auf dem Corneliusplatz gewaschen, beschriftet und ausgewertet, bevor es der Stadt übergeben wird. Dazu gehören, als Düsseldorfer Originale, steinalte Mostertpöttchen von ABB, teilweise noch mit eingetrockneten Senfresten. Und eine Unmenge an Pfeifenköpfen. Darunter auch Kuriositäten wie das Köpfchen mit dem rauchenden Profil Kaiser Wilhelms oder, damals ganz auf der Höhe der Zeit, die qualmende Dampflok.
Immer wieder stoßen die Archäologen auch auf Reste der alten Bastion. Der Kö-Graben ist ein Teil des Festungsgrabens aus der Zeit, als Düsseldorf noch Residenzstadt war, erklärt Grabungskoordinator Andreas Kupka. "Dass jetzt Innenstadt und Hofgarten zusammen geführt werden, ist eigentlich ein Rückgriff auf die ursprüngliche Stadtplanung des 19. Jahrhunderts."
Obwohl die Jahrhunderte ihnen sprichwörtlich zu Füßen liegen, ist Iris Reuter ständig in Eile. "Wir haben nur ein ganz kurzes Zeitfenster", sagt sie. Der U-Bahn-Bau wartet nicht auf Archäologen. Vielleicht, weil es keine Schätze sind, die hier nach Jahrhunderten im Erdreich wieder ans Tageslicht gefördert werden.
Der eigentliche Wert aus der Wühlerei im Abfall der Jahrhunderte ist ein anderer. "Jede Information, die wir hier erhalten, ist ein Mosaikstein zur Zusammensetzung der Stadtgeschichte", sagt Reuter. "Und wir sind die Detektive der Geschichte." Das man die Austernschalen gleich haufenweise aus dem Kö-Graben fischt, bestätigt nur, was man schon lange geahnt hat: "Die Menschen haben an der Kö halt schon immer gewusst, wie man gut lebt", sagt die Archäologin.
Ihr Lieblingsfund ist eine schwedische Öremünze von 1674. Das spektakulärste Fundstück dürfte dagegen die zwölf Pfund schwere, scharfe Granate aus napoleonischer Zeit sein. Andreas Kupka erinnert sich noch gut an den Anruf am Veilchendienstag vor zwei Jahren. "Ich war auf dem Karnevalszug in meinem Heimatort. "Wir haben hier eine Granate gefunden, was sollen wir jetzt damit machen?" Kupka gelang es, die seltene Granate nach dem Entschärfen zurück zu bekommen. "Sonst wäre sie wohl im großen Ofen des Kampfmittelräumdienstes gelandet", vermutet er.
Demnächst kann sie zusammen mit den anderen Fundstücken der Stadt übergeben werden.