Am Küchentisch mit . . . „Wir brennen und leben für das Theater“
Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nahm Platz bei Künstlern, die etwas zu erzählen haben. Heute: Kirstin Hess und Stefan Fischer-Fels vom Jungen Schauspiel.
Düsseldorf. Diese Alpenkulisse erzählt ihre Geschichte erst auf den zweiten Blick: Das schweizerische Berg- und Himmelspanorama erscheint wie bestellt, die Frau in Wanderkluft hat den Gipfel fast erklommen, der Mann bleibt etwas zurück. Am höchsten Punkt des Pfades zeigt eine Kuh lässig ihr Hinterteil. „Stefan war fassungslos, dass die es dort oben hingeschafft hat“, erklärt Kirstin Hess das Foto, aufgenommen von ihrem Vater in ihrer Heimat. Für den gebürtigen Berliner Fischer-Fels, Leiter im Jungen Schauspiel, hatte der Familienausflug durchaus Grenzerfahrungen — auch körperlicher Natur — zu bieten.
Das Bild ist gut zu sehen vom Holztisch aus, an dem Hess und Fischer-Fels in ihrer Wohnung an der Schinkelstraße essen und entspannen, arbeiten und diskutieren, feiern und Gäste aus aller Welt empfangen. Gefunden haben sie das robuste Stück zum Ausziehen in Prenzlauer Berg, eine der gemeinsamen Stationen in den vergangenen Jahren. Sie kamen aus Düsseldorf, wo sie in der Wohnung nebenan gewohnt haben. Aus der Stadt, in der ihre Tochter Emma geboren wurde. Er leitete das Kinder- und Jugendtheater an der Münsterstraße, sie begleitete als Dramaturgin die Stücke bis auf die Bühne. 2011 ging es für sie nach Berlin ans Grips-Theater, seit vergangenem Jahr sind sie wieder da — in der Schinkel- und in der Münsterstraße in der bewährten Aufgabenteilung.
„Wir brennen und leben für das Theater, unser Gesprächsstoff endet nie“, beschreibt Fischer-Fels enthusiastisch das Miteinander. Wegen akuter Müdigkeit könne sie morgens und er abends auch schon mal abschweifen, ergänzt Kirstin Hess mit feiner Selbstironie. Deutlich spürbar ist ihre Leidenschaft, wenn sie über die gerade beendete erste Spielzeit im Jungen Schauspiel sprechen. Interkulturell und international soll es zugehen in ihrem Theater.
Mit „Obisike“ ist ihnen ein künstlerischer wie organisatorischer Coup gelungen: Der belgische Hausregisseur Gregory Caers hat mit Schauspielerinnen aus Düsseldorf und Lagos in Nigeria ein Stück auf die Bühne gebracht. Gespielt haben sie es an beiden Orten und belohnt wurden sie mit einer Einladung zum Weltkongress der Kinder- und Jugendtheater (Assitej) nach Kapstadt.
Hess erzählt von Unwägbarkeiten, von Visa-Schwierigkeiten hier wie dort. Doppelt so viel Arbeit seien solche Produktionen. „Aber wir gehen mit solchen Arbeiten voraus am Düsseldorfer Schauspielhaus“, sagt Fischer-Fels und weiß um die Unterstützung des neuen Intendanten. Jeden Montag lädt das Café Eden im Jungen Schauspiel ein, damit Menschen verschiedener Kulturen sich begegnen können. Sie spielen im Foyer Tischtennis oder diskutieren beim Bürgerdinner über Demokratie, Geld oder Meinungsfreiheit. Fischer-Fels: „Das Haus so zu öffnen, ist uns früher nicht gelungen. Jetzt funktioniert es.“
Ihre Vision von Theater überwindet Grenzen. Nicht nur im Kopf. Er hat die Idee von einem Drei-Kontinente-Projekt, bei dem er Brasilien, Deutschland und Japan verbindet. In den Sommerferien gastiert er mit dem Stück „Adams Welt“ in Japan und knüpft dort weiter am Netz seiner internationalen Kontakte.
Neben dem Foto aus der Schweiz hängt eine chinesische Maske an der Wand, die Fischer-Fels bei einem seiner Besuche im Ausland ersteigert hat. „Für einen Preis, der weit über dem eigentlichen Wert liegt“, sagt er. Der Theatermacher erklärt, dass die Versteigerung der Maske, die Inszenierung des Vorgangs, den wahren Wert dieses Kunstwerks ausmacht. Wie so oft lohnt ein zweiter Blick.