Kirchen in NRW Christuskirche in Krefeld: Eine Kirche nicht für das Auge, dafür fürs Ohr
Die evangelische Christuskirche in Krefeld ist ein Beispiel aus den 1960er Jahren für eine aufs Wesentliche reduzierte architektonische Formensprache. So schroff der fensterlose Kirchenbau mit Beton und Backstein von außen zunächst auf manche wirkt, von innen bietet er einer lebendigen Gemeinde alle Möglichkeiten.
Krefeld. Schon von außen betrachtet ist die evangelische Christuskirche ein sehr ungewöhnlicher Bau. Der markante Glockenturm zur Schönwasserstraße hin, das monolithische Hauptgebäude aus Beton und Backstein, ohne Fenster, dafür mit einem schmalen umlaufenden Lichtband in neun Meter Höhe, und die kantige Brücke, die beide verbindet. Diese Kirche aus dem Jahr 1964 macht es demjenigen, der sie das erste Mal besucht, nicht leicht. Je nach eigenem Blickwinkel ist sie Einladung und Versprechen zugleich oder aber zunächst ein Hindernis, das es wegen seiner Kühle und Schroffheit zu überwinden gilt.
„Ich habe mich selber anfangs mit der Architektur schwer getan“, erzählt Anke Brüggemann-Diederichs frei heraus. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Martin Diederichs ist sie seit 1986 in der Gemeinde als Pfarrerin tätig. Ihr half auch nicht der Hinweis, dass die von den Krefelder Architekten Fohrer und Schneiders entworfene Kirche vom Bund Deutscher Architekten 1969 ausgezeichnet worden ist. „Für den BDA ist sie ein gelungenes Bauwerk, das in sich stimmig und ein gutes Beispiel für eine Kunstrichtung der 1960er Jahre ist“, zitiert Anke Brüggemann-Diederichs.
„Das Auge hat in dieser Kirche wenig zusehen. Das wichtigste Organ ist hier das Ohr. Diese Kirche nötigt zur Konzentration auf das Wort Gottes“, hat es der langjährige Pfarrer der Kirchengemeinde Krefeld-Ost, Volker Harder, beim Einweihungsgottesdienst am 26. Juni 1966 zusammengefasst. Insoweit ist der Gottesdienstraum an der Schönwasserstraße Ausdruck reformierter Theologie.
„Ich selbst habe mich erst in den Jahren mit dem Kirchraum angefreundet, als ich nämlich entdeckte, diese Kirche kann man gestalten“, sagt die Pfarrerin. Das Besondere im Kirchraum ist, dass alle Bänke umgestellt und Stühle dazu gestellt werden können. Für biblische Szenen und Krippenspiele könne sogar der Abendmahltisch verschoben werden. Meist stünden die Bänke im Rund um die Kanzel und den Abendmahltisch herum. Auch die Akustik des Raums sei hervorragend und der Grund für zahlreiche Konzerte.
Die große leere Backsteinwand hinter der Kanzel bietet außerdem Raum für abwechselnde Kunstwerke, die die Jugendlichen der Gemeinde zu verschiedenen Anlässen gestalten. „In unserer Kirche ist der Blick nicht nur nach vorne gerichtet, auf Gott, wie in den gotischen Kirchen“, sagt Anke Brüggemann. Hier gilt der Blick der Gemeinschaft. Der Lichterkranz in einigen Meter Höhe betont das miteinander Verbundensein.
An diesem Morgen, beim Rundgang, leuchtet nicht der Lichterkranz, erklingt nicht die Von-Beckerath-Orgel auf der Empore, wo normalerweise auch die Stühle für den Chor stehen. Der gesamte Kirchraum ist bis auf deckenhohe Stahlgerüste leer. 51 Jahre nach der Einweihung muss die inzwischen marode hölzerne Zwischendecke für rund 145 000 Euro erneuert werden. Bis Mitte September weichen Anke Brüggemann-Diederichs und ihr Mann für die Gottesdienste und Feiern in das danebenliegende Gemeindehaus aus.
Lange diente das damalige Ernst-Moritz-Arndt-Haus der evangelischen Gemeinde in Bockum als Gotteshaus. Seit dem Bau im Jahr 1927 bestand der Wunsch, eine neue Kirche zu bauen. Bis zur Realisierung dauerte es jedoch noch einmal 40 Jahre.
Der beauftragte Architekt Ernst Fohrer hat „alles unter einem Dach“ geplant. Vergleichbar einer Klosteranlage, ist die Bauform der Kirche klar erkennbar, die anderen Bauteile haben aber ihr jeweils eigenes Gewicht. Dabei herausgekommen sind nicht nur ein auf das Wesentliche beschränkter Kirchraum und die sich anschließende kleine Taufkapelle, sondern ein Gemeindezentrum mit Foyer und Bistro-Bereich, mit Bücherei, Gruppenräumen, einem großen Jugendkeller im Untergeschoss und einem einladenden Vorplatz. Mit den Pfarrhäusern und der fünfgruppigen Kindertagesstätte reiht sich alles in Hufeisenform an der Schönwasser, Germania- und Taubenstraße aneinander. Das ist Kirche ohne künstliche Barrieren, mitten in einem Wohngebiet, mitten im Leben.