„21 Jahre Knast waren ganz schön hart“
Günter Josten, einstiger „Sonnyboy“ der Krefelder Halbwelt, hat mit 71 Jahren ein neues Leben begonnen.
Krefeld. Keine Frage: Günter Josten ist ein galanter und freundlicher Mensch. Seinen Gästen hilft er aus der Jacke und wieder hinein. Was Wunder, dass ihn seine beiden Schwiegermütter stets geliebt haben. Doch für die Justiz war der Mann, der am 7. Januar 71 Jahre alt geworden ist, ein Verbrecher. Über 21 Jahre hat der Mann, der bei seinen Einbrüchen niemals eine Waffe eingesetzt oder jemanden verletzt hat, ununterbrochen in Gefängnissen verbracht (siehe Kasten).
"Das war schon ganz schön hart", sagt "dä Jünn", dem der psychiatrische Gutachter Martin Albrecht nach vier Sitzungen und Beantwortung von 800 Fragen keine Gefährlichkeit mehr bescheinigte. Seit über einem Monat ist Günter Josten auf freiem Fuß. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer Aachen ist von der Krefelder Staatsanwaltschaft binnen einer Woche akzeptiert worden.
Nein, vom Leben hinter Gittern, von Denunziationen durch Mithäftlinge, von Schikanen durch Justizbedienstete oder von der "geschlossenen Gesellschaft Strafanstalt" (wie es sein früherer Verteidiger Walter Mendel nennt) träumt Josten nicht. "Das habe ich abgehakt." Fast: Er empfiehlt Richtern, Staatsanwälten und anderen ehrenwerten Bürgern, probeweise für drei Monate einzusitzen: "Das gäbe einen Aufstand."
"Josten ist ein soziales Phänomen", sagt Mendel. Vor wenigen Tagen hat "dä Jünn" seinen 71. im Tanzpalast Odeon nachgefeiert. Rainer Heithecker, der schon Diskos zu der Zeit betrieb, als Günter Josten durch seine Anwesenheit für Ruhe sorgte, übernahm die Rechnung. 150 Gäste kamen, darunter auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Wilfrid Fabel, der zu denen gehörte, die die Initiative "Freiheit für Günter Josten" von Anfang an unterstützte. "Der Günter ist weder Mörder, Kinderschänder noch Terrorist." Mit dabei auch Peter Porten, der früher beim TuS Gellep spielte, und der seinen alten Kumpel "so an die 300 Mal" in den verschiedenen Knästen besucht hat. Ein Phänomen: Kein Besuchstermin verfiel ungenutzt, fiel ein angemeldeter Besucher aus, sprang ein anderer von der Reserveliste ein.
Mit Wilfrid Fabel hat Josten inzwischen auch schon in einer Halle Fußball gespielt - wie Anfang der 70er Jahre schon Vater Theo Fabel, damals Ordnungsdezernent der Stadt. Der hatte einen Narren an Günter Josten gefressen.
Sport, Zocken, schnelle Autos, Frauen und die großen wiederholten Dummheiten mit Einbrüchen und Diebstählen - das war das Leben des Günter Josten bis 1988. Dieters Dückers, der heutige stellvertretende Vorsitzende des VfR Fischeln, erinnert sich: "Ich hatte in der Zeitung gelesen: Josten ist aus der Untersuchungshaft in Ravensburg entlassen worden. Da habe ich Günter gleich angerufen: ’Wir haben mit der Stadtverwaltungsmannschaft ein Spiel gegen die Justiz. Machst Du mit?’" Josten machte mit. Drei Wochen später fuhr er zwei richtige Gangster mit seinem Wagen vor die Sparkasse in Hüls.
In Norden Krefelds fasst Josten gerade wieder Fuß. Eine alte Freundin aus den 80er Jahren, selbstständig und gut situiert, hat ihn aufgefangen. Ein kleines Apartment richtet sich "dä Jünn" ein: "Ich reiße gerade den alten Teppichboden heraus." Die neue und alte Lebensgefährtin legt aus verständlichen Gründen Wert drauf, anonym zu bleiben: "Krefeld ist ein Dorf."
Nach 21 Jahren ist vieles neu für Josten. Die "tote" Rhenania-Allee ist ihm aufgefallen. Die Königstraße sei schön geworden, die Hochstraße aber nur noch zwischen Kaufhof und Schwanenmarkt akzeptabel. Über Einkaufswagen, in die man Münzen werfen muss, hat er sich ebenso gewundert wie über Bewegungsmelder, die urplötzlich an Haustüren das Licht angehen lassen. Weil auch durch Arbeit im Strafvollzug keine Rentenansprüche erworben werden, lebt Josten nun von der Grundsicherung. "Ich würde gern ein paar Stunden am Tag arbeiten". Vorher aber muss seine Schulter operiert werden.