Der Blind-Test: Kuchen essen schwer gemacht
Hilfsmittel erleichtern den Alltag Sehbehinderter. Andere stoßen früh an ihre Grenzen.
Krefeld. Vorsichtig tasten sich die Hände vor und suchen den Teller. Rechts daneben die Gabel ist schnell gefunden. Jetzt noch das Stück Kuchen auf dem Teller erfühlen, die Größe mit den Fingern abmessen und die Gabel hineinstechen. Die ersten Schritte sind geschafft. Etwas von dem Kuchen mit der Hand auf die Gabel bugsieren, vorsichtig in Richtung Mund führen — und treffen. Klappt schon ganz gut für den ersten Versuch. Noch einen Schluck Wasser hinterher. Also wieder vorsichtig nach dem Glas tasten, es zum Mund führen, trinken. Ein Stück Kuchen zu essen wird eben schnell zu einer langwierigen Angelegenheit, wenn man dabei nichts sehen kann.
Bei der Hilfsmittelausstellung des Blinden- und Sehbehindertenvereins sowie des Blinden- und Fürsorgevereins Krefeld zum „Tag des weißen Stocks“ konnten Besucher am Montag testen, wie zeitaufwendig und schwierig es ist, „blind“ zu essen.
Beruhigend zu sehen, dass sich die Gäste um einen herum auch nicht geschickter anstellen. Sobald sie die Schlafmasken aufhaben, sind sie hilflos. Anita Hülsmann stochert in ihrem Kuchen, Karl-Heinz Nex zielt mit seiner Gabel daneben, obwohl er den Kopf direkt über den Teller hält. „Trinken geht noch, aber das mit dem Kuchen ist schon kriminell“, meint er. Dabei sieht er auch ohne die Schlafmaske nicht mehr viel, er ist stark sehbehindert. „Trotzdem ist das noch ein himmelweiter Unterschied“, sagt er. Immerhin könne er Umrisse noch erkennen. Anita Hülsmann, die normalerweise alles sehen kann, findet die Essensprozedur „schlimm, schlimm, schlimm“. Günter Welz gibt hilfreiche Tipps: „Man muss sich das Essen auf dem Teller wie auf der Uhr einteilen, dann weiß man, wo was liegt.“ Für ihn ist das der Alltag. Auf einem Auge ist er blind, auf dem anderen hat er eine Sehkraft von drei bis vier Prozent. „Ganz blind bin ich aber nicht“, betont er. Doch auch mit Maske über den Augen stellt er sich geschickter an als viele andere Gäste.
Zu Hause habe er zahlreiche Lupen und ein Bildschirmlesegerät, erzählt Günter Welz. Gerne liest er damit aber nicht: „Ich versuche es immer wieder, aber es ermüdet sehr.“ Deshalb habe er auch ein Vorlesegerät.
Verschiedene Varianten dieser Hilfsmittel können Besucher vor Ort genauer untersuchen. Verschiedene Lesegeräte, die wie eine elektronische Lupe funktionieren, Tastaturen mit extragroßen Tasten, Farberkennungsgeräte, oder Blindenstöcke, die vibrieren, falls ein Hindernis zu nahe kommt — die Alltagshilfen sind vielfältig. Dabei ist nicht alles groß und klobig: Die sprechenden Armbanduhren könnten auch Sehende tragen, ohne aufzufallen. „Viele wissen gar nicht, wie viele Hilfsmittel ihnen zur Verfügung stehen“, sagt Beate Pogorzelsky, erste Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins. Den Kuchen muss man allerdings noch selbstständig essen — und ist deshalb froh, am Ende die Maske wieder abnehmen zu können.