Die „Stoff-Garage“ des Herrn Fischell aus Fischeln
Klaus Fischell verkauft allerlei textiles Material — neben Gewebtem gibt es Garne, Knöpfe, Reißverschlüsse und mehr.
Krefeld. Ein Reißverschluss und eine Garnrolle, überdimensioniert und stilisiert auf weißem Grund, weisen den Weg zu einer unscheinbaren Garage. Wenn Klaus Fischell das Tor öffnet, ist es ein bisschen so, als würde Ali Baba „Sesam, öffne dich“ sagen. Nur, dass sich hinter dem Tor an der Kimplerstraße in Fischeln keine Säcke mit Gold verbergen, sondern wunderbare Stoffe und alle erdenklichen Näh-Utensilien.
„Stoff-Garage“ nennen die Fischelner ganz nüchtern diese Schatzkammer für Näherinnen und jeden, der gerne handschmeichelnde Stoffe durch seine Finger gleiten lässt. 1963, also vor bald 50 Jahren, haben Klaus und Helga Fischell das Mini-Paradies für Hobby- oder auch Profi-Schneider eröffnet. „Wir kamen auf die Idee, weil uns immer wieder Leute aus der Nachbarschaft ansprachen, ob ich ihnen nicht dies oder das besorgen könne“, erinnert sich der Textil-Experte.
Und die Garage brummte. „In den besten Zeiten, also zwischen 1965 und ’95, standen bis zu 15 Frauen schon vor dem Tor, wenn meine Frau den Laden aufschloss. Die Kunden kamen aus einem Umkreis von 50 Kilometern. Wir beschäftigten drei Garagen-Verkäuferinnen parallel“, erinnert sich der Rentner. Ausgefallene Ware und beste Qualität seien immer ihr Markenzeichen gewesen.
Wer sich auf den wenigen Quadratmetern umsieht, gerät ins Staunen. Fischell ist Herr über zahllose Knöpfe, darunter so Originelles wie Exemplare mit einem kalifornischen Sonnenuntergang oder kleinen Glöckchen für die Weihnachtsdekoration. Reißverschlüsse in allen Farben und Längen hat er im Sortiment, große Rollen mit Garn oder Paspel-Band in leuchtenden Farben, Schnallen, Borte und Bordüren.
An die Mode der 1920er Jahre erinnert eine Brokatborte mit echten Straußen-Federn. Zeitlos schimmert ein Paillettenkragen in Kupfer und Silber. Herzstück aber sind die Stoffe. Echte Schottenkaros liegen neben reiner Baumwolle. „Ich liebe Stoffe“, sagt der alte Herr warm und befühlt fachmännisch feines italienisches Leinen mit in sich gemusterten Satin-Streifen. „Standardstoffe habe ich nicht.“
Gibt es ein Lieblingstuch? „Rein seidenes Crêpe de Chine mit Andy Warhols ’Marylin Monroe’ als Motiv — das wollte ich eigentlich gar nicht verkaufen“, erzählt Klaus Fischell. Viele Stoffe aus seinen alten Beständen würden heute gar nicht mehr hergestellt, weil die industrielle Webtechnik sie nicht mehr hinbekomme, wie beispielsweise Jacquard-Gemustertes.
In der gemütlichen Garage ist es ruhiger geworden. Klaus Fischell erklärt sich diese Entwicklung mit dem Tod seiner Frau im Jahr 1995. „Die Leute dachten, jetzt geht es nicht mehr weiter. Aber eine große Rolle spielt natürlich, dass die alten Kunden weggestorben sind. Heute haben die Frauen keine Zeit und Lust mehr, selber zu nähen. Viele können noch nicht mal einen Knopf annähen“, glaubt er. Seiner Ansicht nach hätten die Frauen es nämlich versäumt, ihren Müttern über die Schulter zu sehen. Er selbst möchte, unterstützt von einer Verkäuferin, seine Kostbarkeiten weiter anbieten: „Solange ich es kann und Spaß daran habe, werde ich den Leuten den Gefallen tun.“