Ein Nagelobjekt namens Georg
Kriegsgeschichte einmal anders: Die Holzfigur diente der Propaganda. Gegen eine Spende durfte man einen Nagel zugunsten von Witwen und Waisen einschlagen.
Krefeld. Wer die sogenannten Ehrenhalle in der Linner Vorburg betritt, schreckt im ersten Moment zurück. Wuchtig und übermächtig steht dort eine fast schon bedrohliche Skulptur: der „Eiserne Georg“. Trotz der eisernen Panzerung hat die Figur direkt nichts mit Burg Linn gemein. Sie ist vielmehr ein Teil der Krefelder Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Erst nach einer Odyssee gelangte der „Georg“ in die Remise, das ehemalige Kutschenhaus in der Vorburg. Für die Unterstützung von Witwen und Waisen von gefallenen Krefelder Familienvätern, aber auch als Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, stand er zuerst auf dem Ostwall gegenüber des Crefelder Hofs (heute Baustelle des früheren Horten-Gebäudes) in einem eigens dafür hergestellten Pavillon.
Aus einem Eichenholzstamm von der Ostfront schuf die Bildhauerin Helene von Beckerath die Figur. Sie war während des Ersten Weltkriegs für einige Jahre in ihre Heimatstadt Krefeld zurückgekehrt. In dieser Zeit entstand der „Eiserne Georg“. Die Kosten für die Errichtung des drei Meter hohen Standbildes trug der Gründer des Willicher Stahlwerks, Reinhold Becker.
Die Krefelder Bürger sollten mit einer kleinen oder großen Spende die Witwen und Waisen von gefallenen Krefeldern unterstützen, in dem sie dem Georg aus Holz mit Nägeln und Plaketten nach und nach eine eiserne Rüstung anlegten.
Kleinere Nägel für den Oberteil kosteten 50 Pfennige, größere für den unteren Teil eine Mark und Namensschilder konnten für 100 Mark befestigt werden. Die wohltätige Aktion startete 1915 und endete 1916. Es kam eine Summe 223 000 Mark zusammen.
An der Statue finden sich so die Namen von einfachen und bekannten, reichen Krefelder Familien. Ferner engagierten sich Schulklassen, Parteien, Firmen, Vereine und viele mehr. Zu den zahlreichen Spendern gehörten auch Schüler der Volksschule 25 an der Fischelner Straße (heute Kölner Straße Ecke Feldstraße).
Die Niederrheinische Volkszeitung vom 11. März 1916 berichtete, dass an jenem Donnerstagnachmittag die fünfte Klasse sowie die Knabenklasse 1b sich mit ihren Lehrern am Kriegerwahrzeichen einfanden. Nach einer Rede des Schulleiters, dem Kaiserhoch und der Nationalhymne wurde „genagelt“. In den Wochen zuvor hatten die Schüler Geld für den „Georg“ gesammelt.
Und so schreibt die Volkszeitung: „Bei der Nagelung wurden mehr als 90 Mark in Beträgen von 50 Pfennigen und zwei Mark der Georgskasse zugeführt, gewiss eine ansehnliche Summewenn man bedenkt, dass viele Väter der Kinder selbst im Felde stehen.“
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg verschwand die Figur in „Museumskellern“, bis sie 1930 in der Linner Ehrenhalle aufgestellt wurde. Bis in das Jahr 1952 bliebt sie dort. Dann wurde der „Eiserne Georg“ im nahen Mühlenhof eingelagert, weil die evangelische Gemeinde in der Ehrenhalle Gottesdienst abhielt. Später kam die Figur zu einer Krefelder Firma, wo sie instand gesetzt wurde, bevor sie wieder in die Ehrenhalle zurückkehrte.