Erkältung hat Julia Tadych beinahe das Leben gekostet
Eine 29-jährige Lehrerin bricht in der Schule mit Herzstillstand zusammen. Eine Kollegin rettet ihr mit einer Herzdruckmassage das Leben.
Krefeld. Das letzte, woran sich Julia Tadych erinnert, ist ein Tisch voller Requisiten. Dann wird alles schwarz, ihr Herz bleibt stehen. Einfach so. Sie fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Und doch hat sie Glück: Eine Kollegin reagiert schnell und hält sie mit einer Druckmassage am Leben. Als die junge Sportlehrerin in ihrem Krankenbett im Helios-Klinikum die Augen aufschlägt, braucht sie lange, um zu begreifen, was passiert ist. Eine verschleppte Erkältung, ein entzündeter Herzmuskel ohne Symptome, Infarkt - sie hätte sterben können. Einfach so. Mit 29.
Draußen nieselt es leicht, ein grauer Freitag. Julia Tadych sitzt mit ihrer Kollegin Jennifer im Bühnenproberaum ihrer Schule und klebt Requisiten für eine Aufführung. Sie arbeiten entspannt und basteln stundenlang. Doch als Julia Tadych aufsteht, um eine Flasche Wasser aus ihrer Tasche zu holen, wird die Welt um sie herum schwarz. Was danach passiert, weiß sie nur aus Erzählungen.
Jennifer reagiert sofort, ruft den Rettungsdienst und erinnert sich an all das, was sie noch aus den Erste-Hilfe-Kursen weiß: Puls fühlen, Atmung kontrollieren. Es ist nichts mehr da. Sie beginnt mit der Herzdruckmassage. Verzweifelt versucht sie, ihre Freundin zu reanimieren, bis der Notarzt eintrifft.
Es ist Jennifers Verdienst, das Julia Tadych noch atmet, als sie in die Notaufnahme des Klinikums gebracht wird. Dort setzen ihr die Ärzte in einer Not-OP vorübergehend eine entlastende Herzpumpe ein. Zwei Wochen verbringt sie auf der Intensivstation. „Daran erinnere ich mich zum Glück nur dunkel.“ Die junge Frau mit den dunklen Haaren zupft an ihrer Life-West, die ihr im Falle von möglichen Herzrhythmusstörungen einen lebensrettenden Defi-Schock versetzt. Drei Monate muss sie sie noch tragen, bis nach der Reha.
Mittlerweile weiß sie, warum ihr Herz sie im Stich gelassen hat. Eine Erkältung zwei Wochen zuvor hatte sie nicht richtig auskuriert. Sie dachte, der Infekt wäre vorbei. Dann wurde es stressig: Zeugniskonferenzen, Musikaufführung, das Sportfest. Julia Tadych hat vor den Ferien viel zu tun. Deshalb wurde ihr Körper die Viren aus eigener Kraft nicht los. Sie fraßen sich immer weiter in Richtung Herz. Das machte schweigend mit, während in seinem Muskelgewebe immer mehr Zellen ausfielen.
„90 Prozent der Herzmuskelentzündungen heilen unbemerkt aus. Belastung und Stress aber können das Immunsystem stark schwächen. Die Folge sind ernste Komplikationen ohne ankündigende Alarmsignale, auch bei jungen Menschen“, erklärt Rainer Ott, Oberarzt der Kardiologie am Helios-Klinikum. Für ihn ist das Überleben seiner Patientin ein kleines Wunder. Denn sie traf die schwerste Folge einer Myokarditis: das vollständige Herzversagen. Zu viele Muskelzellen waren infiziert, einige bereits abgestorben. Ott hat schon andere Patienten daran sterben sehen: „Frau Tadych hatte enormes Glück, weil ihr schnellstmöglich geholfen wurde.“
Die junge Frau weiß, dass es viel schlimmer hätte ausgehen können. Die meisten Überlebenden kommen nicht ohne neurologische Beeinträchtigungen davon. Ihr bleibt von dem Erlebten eine Narbe im Herzmuskel. Die fehlenden Zellen wachsen nicht nach, stattdessen bildet sich verhärtetes Gewebe, und das Herz passt sich an. Andere Teile kompensieren den Verlust. Deshalb will sie aufklären, ihre Kollegen sensibilisieren: „Wir sollten uns regelmäßig in Kursen mit dem Thema Erste Hilfe auseinandersetzen, damit wir wissen, was in einem Notfall wie meinem zu tun ist.“