Eupol-Mission: Globetrotter im Polizeidienst
Hauptkommissar Michael Freienstein liebt die große weite Welt. Derzeit ist der Beamte der Krefelder Behörde bei Eupol in Afghanistan.
Krefeld. Jalalabad Road, Microyan 3 (Area Disaster Police), Kabul: Das ist die gegenwärtige Adresse des Hauptkommissars Michael Freienstein (50) vom Krefelder Polizeipräsidium. Ein "Schupo", der sich von anderen unterscheidet: Freienstein sucht die Ferne - als "Leihpolizist" versuchte er zwischen 2002 und 2003 in Costa Rica einen Tüv für Autos einzuführen. Er scheiterte mit dem örtlichen Verkehrssicherheitskonsortium an der Lobby der Speditions-, Taxi- und Busunternehmer.
Nach dem Abenteuer zwischen Karibik und Pazifik kehrte er zurück in die Polizei-Pressestelle am Nordwall. 2005 und 2006 war er in Sachen Fußball in Nordrhein-Westfalen auf Achse: Erst beim Confederations-Cup, dann bei der Weltmeisterschaft. Seit Januar ist Michael Freienstein am Hindukusch. Er wohnt auf dem Compound der Feuerwehr am Kabul-River. "Disaster Police" bedeutet hier Feuerwehr.
Abgestellt war Michael Freienstein zunächst ans Bundesinnenministerium, jetzt muss er nicht mehr auf Berlin, sondern auf Brüssel hören: Freienstein ist Pressesprecher der Europäischen Polizeimission Eupol in Afghanistan. Derzeit sind 73 freiwillige Beamte aus 18 europäischen Nationen und fünf Drittstaaten, darunter Neuseeland und die Türkei, mit der qualifizierten Ausbildung afghanischer Polizisten betraut: Die dauert neun Monate für den mittleren und drei Jahre für den gehobenen Dienst.
Michael Freienstein über die amerikanische Polizeiaubildung
Auch die Amerikaner bilden einheimische Ordnungshüter aus. "Da läuft das anders: Nach 14 Tagen sind die Männer Hilfspolizisten und wenn sie nach einem Jahr noch leben, können sie sich für den ordentlichen Polizeidienst bewerben." Ein Polizist lebt gefährlich auf den Straßen am Hindukusch: 2003 kamen 200 Männer ums Leben, in diesem Jahr werden mehr als 1000 Todesopfer erwartet. 70 Dollar erhalten die Polizisten durchschnittlich im Monat, 30 weniger als Armee-Bedienstete. "Das wollen wir langsam ändern", sagt Michael Freienstein, der den Wiederaufbau Afghanistans als "Generationssache" betrachtet. Dank des immensen Materialeinsatzes der Amerikaner hätten die Polizeiorganisationen zwar reichlich Autos, aber keine vernünftigen Schuhe. Auf dem Weg durchs Land sieht Freienstein afghanische Kollegen, "die drei Monate in einem Erdloch Dienst tun".
Erfreut hat Freienstein die Leistung der afghanischen Polizei bei der Befreiung der Geisel Christina M. aus den Händen krimineller Entführer. "Die Ausbildung zahlt sich aus". So lernen die afghanischen Polizisten nicht nur Deeskalationstechniken, um aufgebrachte Landsleute zu beruhigen, wenn Amerikaner wie in Jalalabad wieder Zivilisten getötet haben, sondern auch sofortige Spurensicherung nach Anschlägen. "Bisher", so Freienstein, "haben sie erst einmal für fließenden Verkehr gesorgt." Hohe Militärs und die Regierung hätten die Bedeutung der inneren Sicherheit erkannt, die nur über eine geordnete Polizeistruktur möglich ist. 2008 soll Eupol auf 200 Kräfte verstärkt werden.
Michael Freienstein über die kulinarischen Möglichkeiten Kabuls
Ob Michael Freienstein dann noch dabei ist, ist offen. Eigentlich endet seine Mission, zu der auch die Begleitung von TV-Teams gehört, nach einem Jahr. Der Polizeihauptkommissar ist von Afghanistan angetan: "Ein wunderschönes Land." Wenn am Abend nach dem Training im Fitnessstudio Zeit bleibt, dann fährt er mit einem Kollegen in die Stadt, um libanesisch, mexikanisch, französisch oder günstig afghanisch zu essen: "Das heißt dann Fettschwanz-Schaf mit Reis und Rosinen sowie Nam, das Fladenbrot. Ist knorpelig, aber lecker."
Freienstein, der Globetrotter im Polizeidienst, sieht bei seinen Reisen durchs Land auch Rucksacktouristen, die immer noch unterwegs sind. "Afghanistan", so sagt er, "ist an vielen Stellen absolut sicher." Im Dachterrassen-Hotel bei den 2001 von den Taliban zerstörten Buddha-Figuren von Baniyam "kann man getrost 100 Dollar auf dem Tisch liegen lassen, die sind abends noch da." Die Reste der riesigen Figuren aus Sandstein werden geordnet und nummeriert. Michael Freienstein: "In 25 Jahren sind sie vielleicht wieder zusammengesetzt - wenn es bis dahin einen geeigneten Klebstoff gibt." Die Chinesen räumen an den Straßen gerade auf: Um ihren Stahlbedarf zu decken, sammeln sie die überall herumstehenden russischen Panzerwracks ein.
Für den Winter sagt Freienstein Ruhe voraus: "Dann müssen die Taliban sehen, wie sie Holz fürs Heizen bekommen und ihre Familien über Wasser halten." Wenn es wärmer wird, beginnen regelmäßig die Offensiven - die von der Isaf und die der Taliban. Dann naht aber auch die Zeit der Schlafmohnernte. 93 Prozent des Rohopiums auf dem Weltmarkt stammen aus den westlichen und südlichen Provinzen des Landes. Für die Drogen-Bekämpfung sind die Briten verantwortlich. Aber bisher hat sich niemand getraut, die Plantagen aus der Luft zu bekämpfen - man möchte offenbar nicht den Hass auf Ausländer weiter schüren.