Försterberuf: Im deutschen Wald regiert das Darwin’sche Gesetz
Für viele Männer ist der Försterberuf ein unerfüllter Kindheitstraum geblieben. Dank Martin Langkamp kann man an einem Tag zum Hilfsförster werden.
Krefeld. Es knackt im Dickicht. Der Mann ist nicht zu sehen, nur die rote Dose mit dem Farbspray. Forstoberinspektor Martin Langkamp markiert in einem Privatwald seines Forstgebietes einen abgestorbenen Baum mit knalligem Rot. Der Eigentümer hat bereits eine Firma mit der Fällung verschiedener Stämme beauftragt — im Sinne der Verkehrssicherungspflicht an einem viel von Hundehaltern frequentierten Waldweg am Rande einer Essener Hochhaussiedlung. Hundekot allerorten.
Der Förster des Landesbetriebes Wald und Holz hat seit einigen Jahren sein „Home Office“ im Uerdinger Nordseeviertel, am Husumer Weg. Dort erledigt er die Büroarbeit — sein Forstgebiet Ruhrtal beginnt allerdings 800 Meter weiter östlich auf der rechten Rheinseite. Es reicht von Duisburg über Mülheim bis nach Essen — 7000 Hektar Wald, die meisten in Privatbesitz.
Der Landesförster von heute ist ein Manager, der vornehmlich den Nutzen des Waldes im Blick hat. „Den Block mit den Ordnungswidrigkeitsanzeigen benutze ich kaum noch. Ich setze auf ein aufklärendes Gespräch“. Wilde Camper könnten beispielsweise ein Knöllchen kriegen. Oder Zeitgenossen, die beim Müllentladen erwischt werden. Hundehalter dürfen ihre Tiere durch den Wald führen, sogar unangeleint, aber sie selbstverständlich niemals auf Wild loslassen.
Martin Langkamp liebt seinen Job. Und weil er weiß, dass für viele Männer der Försterberuf ein Kindheitstraum geblieben ist, kam ihm eine zündende Geschäftsidee, die dem Land noch ein paar Euros zusätzlich beschert. Er kreierte den „Förstererlebnistag“ und bietet einen halben oder ganzen Tag an, aber auch drei und fünf Tage. „Die mehrtägigen Touren buchen meist Manager, die den Kopf frei bekommen wollen.“ Am Ende hält man gar ein Zertifikat mit der Ernennung zum „Hilfsförster ehrenhalber“ in den Händen.
Martin Langkamp ist der Berater der vielen privaten Waldbesitzer, die ihre Flächen meist geerbt haben. Beim Mülheimer Ehepaar, das einen kleinen Mischwald besitzt, ist es die Ehefrau, auf der die meiste Arbeit lastet. Sie schneidet die Brombeeren herunter, setzt neue Bäumchen und markiert sie, damit sie später nicht aus Versehen mit entfernt werden. „Ihr Mann hat Rücken“, weiß Langkamp und lacht.
Viel Geld ist mit Wald nicht zu verdienen. Die Rendite liegt bei einem Prozent, mal etwas mehr, mal weniger. Dass Waldbäume anfangs in kurzen Abständen gesetzt werden, macht Sinn. „Das Darwin’sche Gesetz: Der stärkere setzt sich durch“, erläutert der Forstoberinspektor. Denn unter den Bäumen entsteht ein regelrechter Wettstreit um Licht und Nahrung. Die schwächeren Pflanzen werden später herausgenommen, um die stärkeren zu fördern — bei Buchen nach 40 bis 60 Jahren. Sind sie um die 140 Jahre, ist ihre Zeit gekommen. „Sie werden gefällt, weil sie sich sonst zurück entwickeln. Dann wird die Holzqualität schlechter.“ Ein Förster muss generationenübergreifend denken.
Beim Förster laufen die Fäden zusammen — die vom Verkäufer und Käufer des Holzes zum Beispiel oder die von Waldbesitzer zum Pflegeunternehmen. Langkamp hat sie alle im Mobiltelefon gespeichert. Wenn der Rückschnitt nicht „in time“ erfolgt, macht er Druck. Und wenn die gefällten Stämme länger als vereinbart am Rande eines öffentlichen Weges liegen, verlangt er Miete vom Holzeinschläger. „Ein guter Trick“, weiß Langkamp. Aber meist geht das Holz direkt in die Fabrik, die schon darauf wartet.
Allenthalben sind im Wald noch Kyrills Spuren zu sehen. Vor fünfeinhalb Jahren tobte der Sturm durchs Land. Ein Landwirt in Kettwig besitzt eine 16 000 Quadratmeter große Fläche, die mal Wald war. „Jetzt ist da Brombeere, Birke und alles, was der Mensch braucht“, scherzt Martin Langkamp. Ein Jungunternehmer ist pünktlich gekommen, um Informationen für ein Angebot zu sammeln.
Die ganze Fläche muss mit schwerem Gerät gemulcht werden. Fünf Meter Abstand zum Bach müssen sein. „Hier“, so der Förster, „könnte was für die Vögel gepflanzt werden: Eberesche, Wildkirsche, Haselnuss oder Hundsrose.“ Der Bauer hat sich noch nicht entschieden, was er auf der Fläche anbauen will: „Vielleicht Hanf?“ Der Boden ist gut bis mittelgut. Geeignet auch für einen Erlenwald. Langkamp kommt ins Schwärmen: „Die Erle ist die Anspruchvollste. Sie will Champagner trinken.“ Und so wird der Jungunternehmer aus Gelsenkirchen ein Angebot erstellen und per E-Mail erst dem Förster zuschicken. Der leitet sie dann weiter an den Bauern.
Ein Förster darf aber auch Künstler sein. In der einstigen Villa von Adolf Thyssen in Mülheim werden heute Manager geschult. Zwei uralte Mammutbäume standen da. Einer ist geblieben, den anderen hat ein Käfer auf dem Gewissen. Den Stamm von über zwei Meter Durchmesser hat Langkamp mit einer großen Motorsäge schräg getrennt. Der Rest sieht aus wie ein Denkmal.