G8 gegen G9: Die Meinungen gehen stark auseinander

Linda (19) und Kim (18) finden ihr System jeweils am besten.

Krefeld. Mit Linda Großhans (19) hätte in der vergangenen Woche wohl niemand tauschen wollen. Ihr Terminkalender las sich in etwa so: Donnerstag — mündliche Abiprüfung, Freitag — OP beim Zahnarzt. Was schlimmer ist, weiß wohl niemand. Fest steht: Das Nachbohren kann in beiden Fällen unangenehm sein. Die Angst zumindest war auf dem Schulflur vor der SoWi-Prüfung größer. Linda sagt: „Ich war noch nie in meinem Leben so nervös.“ Doch wie das so ist, war hinterher alles nur halb so schlimm. Linda erzählt: „Das Ergebnis war am Ende sehr gut.“

Für die Schülerin im Doppeljahrgang war die mündliche Prüfung der Abschluss von neun Jahren Gymnasium (G9). Kim Auth (18) hatte nur acht Jahre, um den gleichen Stoff zu lernen (G8). Doch auch sie kann berichten: „Es lief richtig, richtig gut.“ Dank der Maximalzahl von 15 Punkten, die sie in der mündlichen Prüfung geholt hat, lässt sich die Zeit bis zu den schriftlichen Ergebnissen entspannt überbrücken.

Bei so einem guten Abschluss ist es kein Wunder, dass Kim an dem Prinzip G8 nichts auszusetzen hat. „Man hat es kaum gemerkt, dass ein Jahr gefehlt hat - einfach weil wir es nicht hatten“, sagt die 18-Jährige. Sie weiß aber auch, dass viele Mitschüler deutlich schlechter auf die verkürzte Schulzeit zu sprechen sind. „Es gibt geteilte Meinungen.“

G8 ist bei den betroffenen Schülern umstritten. Gerade wo die Jagd nach guten Noten ein verschärftes Thema ist, gilt es, die strengen NC-Vorgaben der beliebtesten Fächer zu erfüllen. Besonders jetzt, wo nach dem Doppelabi sehr viele potenzielle Jungakademiker auf den Markt geschwemmt werden, fragt sich der ein oder andere: Wäre ich nach neun Jahren besser vorbereitet gewesen?

Linda blickt von ihrem Standpunkt kritisch auf die als „Turboabi“ gebrandmarkte G8-Variante. „Mit einem Jahr weniger wäre alles deutlich stressiger geworden“, da ist sie sich sicher. Während für die 19-Jährige bis zur zehnten Klasse regelmäßig um 13.07 Uhr der finale Gong läutete, ist inzwischen Nachmittagsunterricht vor der Oberstufe völlig normal. Linda ist der Meinung: „Dahingegen war mein Schulplan luxuriös. Ich hatte viel mehr Zeit, um zu wachsen.“

Ein Garant dafür, dass es mit der Traumnote auch klappt, ist G9 logischerweise nicht. Zumal Linda ihre Ziele hoch gesteckt hat. Nach ihrem Freiwilligen sozialen Jahr in Kolumbien möchte sie am liebsten BWL in Mannheim studieren. Dazu ist eine 1,0 auf dem Abizeugnis fast Pflicht. Kim hat ihr duales Studium bei Siemens bereits in der Tasche.

Doch bevor das beginnt, was Eltern gerne den „Ernst des Lebens“ nennen, stehen jetzt noch einige unbeschwerte Wochen an. Akut geht es vor allem um die Frage, wer welches Kleid beim Abiball trägt. Linda verrät: „Im Moment werden bei Facebook fleißig Bilder verglichen.“ Nach so viel Einheitsprüfungen steht eben allen die Lust nach diesem einen, ganz individuellen Auftritt.