Gärtner zwischen den Gleisen
Entlang von Bahnstrecken gibt es häufig Kleingärten. Die meisten Pächter gehören zum selben Verein.
Krefeld. Da das Rattern der Züge das Zwitschern der Vögel übertönte, pflanzten die Kleingärtner Bäume und Sträucher zwischen das Gleis und die Gärten.
Trotz dieser botanischen Lärmschutzwand besteht zwischen der Kleingartenanlage Flur und der Deutschen Bahn kein Konflikt. Das Gegenteil ist der Fall: Sie leben in Symbiose. Die Bahn lässt die Gärtner auf ihren brachliegenden Flächen siedeln, die diese dafür sorgfältig, sogar liebevoll, kultivieren.
Diese Vereinbarung bezieht sich nicht nur auf die 24 Gärten zwischen den beiden Gleisen in Oppum — sie gilt deutschlandweit.
Wilhelm Huben erklärt das System: „Die Deutsche Bahn hat einen Generalpachtvertrag mit dem Verein Bahn-Landwirtschaft abgeschlossen. Das ist der bundesweite Dachverband. Er ist in Bezirke und Unterbezirke gegliedert und verpachtet das Land dann an Einzelpersonen weiter.“
Die Kleingartenanlage Flur gehört zum Unterbezirk Krefeld Oppum im Bezirk Köln. Huben ist Vorsitzender des Unterbezirks Krefeld Oppum und er ist Pächter eines Kleingartens in der Anlage Flur. Vor seinem Ruhestand war er professioneller Gärtner und nebenbei Kleingärtner, jetzt ist er nur noch Kleingärtner.
Auch Helmut Paulsen ist mittlerweile Kleingärtner in Vollzeit. Vor seinem Ruhestand war er außerdem Eisenbahner. In seiner Person vereinigen sich damit beide Elemente des Vereinsnamens: Bahn und Landwirtschaft. Denn Landwirtschaft ist das, was er hauptsächlich betreibt in seinem Kleingarten.
Zierpflanzen sind nicht so seine Welt, Nutzpflanzen hingegen schon: „Ich habe hier Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Kohl, Salat und Knoblauch.“ Neben all dem Gemüse wächst in seinem Garten auch Obst — vor allem Kirschen und Erdbeeren. „Außerdem hab ich noch Himbrombeeren. Eine Kreuzung — die schmecken sehr gut.“
Obwohl er Gemüse und Obst wesentlich interessanter findet als Blumen, werden seine Beete nur zu etwa einem Drittel von Nutzpflanzen bevölkert. Die restlichen zwei Drittel seines etwa 350 Quadratmeter großen Gartens werden von Zierpflanzen okkupiert. Federführend sei hier seine Frau: „Wir haben da so eine Art Arbeitsteilung.“
Wohl deshalb fällt es ihm auch etwas schwer, die bunte Blütenpracht im Einzelnen zu benennen. Die Tulpen kann er noch einwandfrei identifizieren, aber bei Tränenherz und Traubenhyazinth muss der gelernte Gärtner Huben soufflieren.
Die Übermacht der Zierpflanzen in seinem Kleingarten gleicht Paulsen dadurch aus, dass er im heimischen Wohnzimmer Nutzpflanzen anbaut. „Die Saison beginnt ja eigentlich erst im März. Ich fang’ aber schon vorher an und zieh’ auf der Fensterbank über der Heizung Tomaten und Paprika an.“ Aber das, räumt er ein, finde seine Frau nicht so toll: „Ihre Blumentöpfe müssen dafür nämlich zur Seite rücken.“