Historische Schätze in Kisten
Ein exklusiver Blick in die Speicher und Magazine des Museums enthüllt viel Geschichte.
Krefeld. Die Linner Museumsgeschichte beginnt in Phillip de Greiffs Wohnzimmer im heutigen Jagdschloss. 1924 kauft die Stadt den Burg-Komplex von den Erben der Familie und eröffnet 1930 in der guten Stube das Museum Burg Linn. Professor Karl Rembert, der erste Leiter, zeigt dort einen Querschnitt durch die Krefelder Heimatkunde, in deren Mittelpunkt die Einrichtungen der Salons der Seidenbarone stehen.
Als Durchfahrt und Einlass dient zu der damaligen Zeit nicht das Vorburgtor, sondern die Zehntscheune. Die Menschen stehen dort Schlange, um ins Museum zu kommen. Das ist 80 Jahre her.
In der restaurierten Burg samt Jagdschloss finden heute Ausstellungen mit kulturgeschichtlichem und volkskundlichem Inhalt statt. Besonders spannend ist der Streifzug durch die Geschichte in Magazinen und Speichern. Dort liegen hunderte historische Schätze verborgen, die noch darauf warten, bei Gelegenheit für die Allgemeinheit ins rechte Licht gerückt zu werden.
Die Museumsdirektoren Doktor Christoph Reichmann und Christoph Dautermann verwalten die Magazine neben ihrer täglichen Arbeit im Alleingang. "Wir sind eine dreidimensionale Paralleleinrichtung zum Stadtarchiv", beschreiben sie ihre Aufgabe, geschichtsträchtige Dinge vorrätig zu halten und dem Auftrag, "sammeln, bewahren, präsentieren, forschen", nachzukommen.
Der Speicher des Museums Burg Linn an der Rheinbabenstraße trägt selbst die Geschichte in sich. Reichmann: "Die Dächer waren im 2. Weltkrieg Tarnung für einen Bunker. Um den Raum unter den Schindeln nutzen zu können, mussten sich Bauarbeiter sechs Wochen durch drei Meter dicken Beton arbeiten."
Jetzt liegen auf der einen Seite beispielsweise ein Sattel des 11. Husarenregiments, ein Fahrrad aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, ein kunstvoll bemalter Schlitten aus dem frühen 19. Jahrhundert, alte Helme aus dem 16. Jahrhundert oder ein Totenbrett, das früher vor der Tür aufgestellt wurde, um anzuzeigen, das jemand gestorben war. Manchmal werden sogar Türbeschläge aufbewahrt, um damit Dinge auf der Burg zu reparieren.
Unter dem zweiten Dach stehen nummerierte Kartons mit den Fundstücken aus 6400 Gräbern. Nummer 1 beinhaltet einen Schildbuckel aus dem sechsten Jahrhundert aus einem Frankengrab, das 1934 gefunden wurde. In Schachtel 1782 liegen die Funde des Fürstengrabes, das unter Leitung von Archäologin Renate Pirling 1962 entdeckt wurde.
Eine ausgetretene, aber begehbare Treppe aus dem 14. Jahrhundert führt zu den Exponaten unter den Dächern. Im Raum über dem Renaissancesaal stehen zahlreiche Kisten. "In ihnen sind im 2.Weltkrieg wertvolle Stücke mit Pferd und Wagen nach Thüringen in Sicherheit gebracht worden."
Hier lagert auch die komplette Wohnungseinrichtung von Familie Thomassen von der Prinz-Ferdinand-Straße, die einen Einrichtungs-Querschnitt aus den 30er bis 80er Jahren zeigt. Dautermann: "Es wäre schön, die Drei-Zimmer-Wohnung in einer stadtgeschichtlichen Abteilung zeigen zu können. Der Rat hatte sie 1989 beschlossen. Seitdem stehen wir in den Startlöchern. Bisher floss kein Geld."
Auf das Zimmer blickt zurzeit nur ein Herr, aber ein ganz besonderer. Es ist die Bronzebüste von Karl Wilhelm, der die Melodie für die "Wacht am Rhein" komponiert hat. Die Büste hat den Krieg überlebt, ohne Kanonenfutter zu werden. "Sie wurde entwendet. Wo sie wiedergefunden wurde, ist nicht mehr belegt", so Reichmann.