Interview „Rechtsextremistisch, verhetzend gewalttätig und hasserfüllt“

Die SPD-Landtagskandidaten im WZ-Interview über die AfD, die DiTiB, einen schwächelnden Innenminister und die Flüchtlingspolitik.

Die Landtagskandidaten der SPD. Benedikt Winzen und Ina Spanier-Oppermann, im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung. Archivfotos: Andreas Bischof

Foto: Archivfotos: Andreas Bischof

Krefeld. Eigentlich sind es gute Tage für die Sozialdemokratie in Deutschland. Kanzlerkandidat Martin Schulz verspricht ein neues Profil durch alte Werte, die Umfragequoten sind geradezu sensationell und nun zieht auch noch Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue ein. Ob die SPD allerdings bei der so wichtigen Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland davon profitieren kann, ist mehr als ungewiss. Rot-grün fehlt derzeit die Mehrheit, Ministerpräsidentin Kraft hatte zuletzt den Kompass verlegt, Innenminister Jäger ist schwer angeschlagen, Kinderarmut ist auf dem Vormarsch. Im WZ-Interview reden die Krefelder Landtagskandidaten Ina Spanier-Oppermann und Benedikt Winzen Klartext über DiTiB, CDU, AfD und Schilderwälder in Krefeld.

Frau Spanier-Oppermann, Herr Winzen, in Krefeld wird jedes zweite Kind in Hartz IV geboren, fast jedes vierte lebt dauerhaft in Armut. Ist der SPD-Slogan „Kein Kind zurücklassen“ nur heiße Luft?

Benedikt Winzen: Nein, er ist aktueller denn je — leider. Krefeld hat an dem Landesprogramm „Kein Kind zurücklassen“ bisher nicht teilgenommen. Die Stadt hat sich auf unsere Initiative hin im vergangenen Jahr beworben und das Programm startet nun am 1. März. Das bedeutet, dass das Land 30 000 Euro zur Koordinierung der Präventionsarbeit in Krefeld bereitstellt. Im Mittelpunkt steht der Auf- und Ausbau von Präventionsketten — von der Geburt bis zum Eintritt in das Berufsleben.

Ina Spanier-Oppermann: Es ist richtig, dass viele Kinder Krefelds in Familien hineingeboren werden, die staatliche Unterstützungsleistungen erhalten. Das wollen und müssen wir aufbrechen, sonst ist ein Entrinnen aus diesem Teufelskreis sehr schwierig. „Kein Kind zurücklassen” setzt genau hier an und verfolgt das Ziel, dass sich alle Kommunen die Grundsätze vorbeugender Politik zu eigen machen und Kinder und ihre Familien von der Schwangerschaft und Geburt bis zum Eintritt in das Berufsleben unterstützen. In Krefeld können wir bereits auf ein „Netzwerk frühe Hilfen“ zurückgreifen.

Abgesehen von Förderprogrammen und Zahlen - haben Sie sich die Realität in Krefeld mal angesehen vor Ort in betroffenen Familien? Was sagen Sie denen?

Spanier-Oppermann: Die Realität ist Grundlage meines Handelns. Ich bin ständig unterwegs, besuche Familien, Kitas und Schulen ebenso wie Unternehmen oder Gewerbetreibende. Ich mache „Praktika“ vor Ort, wo ich temporär „Teil der Belegschaft“ bin. Ob als Stromsperrer bei den SWK, als PTA in Apotheken, Pflegerin auf einer Demenzabteilung, Erzieherin in einer Kita und vieles mehr.

Winzen: Genau da setzen wir ja an, im persönlichen Kontakt mit Familien, die in schwierige Lebenslagen geraten sind. Ganz konkret habe ich mich dafür eingesetzt, dass eine zusätzliche Stelle einer Familienhebamme finanziert wird. Die Stadt stellt hierfür in diesem Jahr 25 000 Euro und für 2018 dann 50 000 Euro bereit. Die Familienhebamme begleitet Familien schon vor der Geburt und bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres. Wir dürfen uns grundsätzlich nicht erst dann um Kinder und Jugendliche kümmern, wenn sie in eine Notlage geraten sind. Wir müssen so früh wie möglich dafür sorgen, dass sie erst gar nicht in Not geraten.

Hannelore Kraft hat deutlich an Strahlkraft eingebüßt, Innenminister Jäger ist unter Dauerbeschuss, Kutschaty haftet die Affäre Hinz noch an. Woher soll der Rückenwind für Ihren bevorstehenden Wahlkampf kommen?

Winzen: Da habe ich eine ganz andere Wahrnehmung. Hannelore Kraft hat nach wie vor ein hohes Ansehen. Sie ist bodenständig und spricht die Sprache der Menschen, versteht es aber genauso, wichtige Entscheidungen zu treffen und bringt uns in Nordrhein-Westfalen voran. Mit ihr und Martin Schulz hat die SPD zwei Persönlichkeiten, die gut bei den Menschen ankommen und die die Themen der SPD gut verkörpern: soziale Gerechtigkeit, mehr Investitionen in Infrastruktur, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule und mehr Sicherheit durch mehr Polizisten.

Spanier-Oppermann: Weit und breit ist kein Kandidat in Sicht, der an die Beliebtheitswerte der Ministerpräsidentin auch nur ansatzweise herankommt. Durch die unsichere Weltlage und die vielen Sicherheitsthemen bearbeitet der Innenminister ein außerordentlich schwieriges Themenfeld, um das er nicht zu beneiden ist. Unser Justizminister genießt hohes Ansehen, seine Sach- und Fachkompetenz stehen außer Frage. Der Fall Hinz berührt ein ausschließlich innerparteiliches Thema. Neben der richtigen Spitzenkandidatin haben wir ein zukunftsweisendes und inhaltlich stimmiges Wahlprogramm. Das ist unser Rückenwind.

Die CDU setzen voll auf Sicherheit und Ordnung, die AfD auf Angst, der Bündnis-Partner Grüne kritisiert konsequentes Durchgreifen der Polizei und in alledem macht das Innenministerium keine gute Figur. Was konkret wollen Sie dem entgegensetzen?

Winzen: Als Landtagsabgeordneter werde ich mich dafür einsetzen, dass auch weiterhin mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden und auf den Straßen und in den Bezirken von Krefeld und Tönisvorst präsent sind. Ich möchte erreichen, dass sich die Menschen sicher fühlen! Dass die CDU voll auf Sicherheit setzt, kann ich im Übrigen nicht erkennen. Das Gegenteil ist der Fall, hat die CDU doch erst jüngst gefordert, Polizeistellen von der Stadt abzuziehen und in den ländlichen Raum zu verlagern.

Spanier-Oppermann: Wir unterscheiden uns vom Grundgedanken her nicht vom politischen Mitbewerber beim Thema Sicherheit, denn auch wir wollen, dass die Bürger in Sicherheit und Frieden leben können. Nur lassen wir unseren Worten Taten folgen. Statt Personalabbau bei der Polizei stocken wir auf. Insbesondere an Kriminalitätsschwerpunkten erhöhen wir die Präsenz der Polizei und bauen die Kriminalitätsbekämpfung in den Kreispolizeibehörden und im Landeskriminalamt weiter personell aus.

Die Kölner Polizei rät Flüchtlingen vom Karneval ab. In welchem Zustand befindet sich unser Land?

Spanier-Oppermann: Unser NRW ist etwas ganz Besonderes. Wir sind ein starkes Land mit stolzen Menschen. Darüber sprechen wir viel zu selten: Über das, was uns stark macht. Fakt ist, dass NRW überall aufholt, voran kommt, in Bildung und Arbeitsplätze investiert. Jeder dritte Euro fließt in die Bereiche Kinder, Bildung und Familie. Es gibt Erfolge in Kitas, Schulen und Hochschulen. Die Arbeitslosigkeit ist in NRW stärker gesunken als im westdeutschen Durchschnitt. Wir haben die Kommunen von der Intensivstation geholt und die kommunalen Finanzen gestärkt. Dieser Erfolg ist auch in Krefeld und in der Region sichtbar.

Winzen: Wir leben aufgrund der weltpolitischen Lage leider in einer Zeit, in der sich die Menschen zunehmend unsicher fühlen. Das ist auch nachvollziehbar. Angst ist jedoch stets der schlechteste aller Ratgeber. Es muss uns gelingen, die zu uns geflüchteten Menschen in unsere Gesellschaft und auch in unser Wertesystem zu integrieren. Dies geht über Sprache, Bildung und Arbeit. Wenn wir dann noch gemeinsame Werte in den Mittelpunkt stellen, wenn wir die Dinge in den Vordergrund rücken, die uns verbinden und nicht diejenigen betonen, die uns vielleicht noch trennen, dann sind wir auf einem guten Weg. Ganz konkret: Jeder Mensch, der die fünfte Jahreszeit liebt oder kennenlernen möchte, sollte dies auch ausleben können.

Der DiTiB-Dachverband Diyanet hat nach den Spitzelvorwürfen erste Imame zurückgezogen, auch in Krefeld gibt es Ärger. Die CDU fordert von Ihrem Ratsmitglied und DiTiB-Funktionärin Halide Özkurt klare Kante. Haben Sie dazu keine Haltung?

Winzen: Ein ehrenamtliches Mandat oder gar eine Führungsposition in Vorständen von DiTiB wird — entgegen anderslautender Behauptungen — von keinem Mitglied der SPD-Fraktion ausgeübt. Im Rahmen des vom Grundgesetz gewährleisteten Rechts auf freie Berufswahl arbeitet ein Mitglied der SPD-Fraktion im Bereich der Flüchtlings- und Sozialbetreuung bei DiTiB. In diesem Zusammenhang kann man gewiss nicht von einer „DiTiB-Funktionärin“ sprechen. In der Debatte um die DiTiB müssen selbstverständlich alle Fragen, die derzeit zu Recht öffentlich diskutiert werden — Stichwort Spitzelvorwürfe — untersucht und beantwortet werden. Die Landesregierung hat sich hierzu deutlich positioniert.

Spanier-Oppermann: Halide Özkurt ist nicht die DiTiB. Die CDU hat von Frau Özkurt keine klare Kante, sondern den Rückzug aus dem Stadtrat gefordert. Frau Özkurt wurde dabei persönlich und öffentlich angegriffen. Meine persönliche Wertschätzung gegenüber Frau Özkurt steht für mich außer Frage. Ich kenne und schätze ihre Arbeit für die Krefelder SPD. Es ist richtig, dass die DiTiB ihren Sitz im Beirat für den Islamunterricht in Nordrhein-Westfalen vorerst nicht wahrnehmen wird. Eine sukzessive Erhöhung des Aufklärungsdrucks auf diesen Verband halte ich für angemessen.

Das konservative CDU-Lager in Krefeld hat ganz offensichtlich ein Abgrenzungsproblem zu Positionen der AfD. Wie werden Sie mit dem Populismus von rechts umgehen?

Spanier-Oppermann: Gegenhalten! Kein Platz den Rechten. Ich habe eindeutige und klare Positionen, die ich immer und überall vertreten werde. Die demokratischen Kräfte müssen sich laut gegen diese neue Form des Rechtsextremismus wehren. Ich möchte all diejenigen, die durch den Populismus geblendet worden sind, wieder in den Dialog zurückholen und mit Taten überzeugen. Wer sich die Zeit nimmt und hinter den Vorhang der sogenannten neuen Rechten schaut, wird schnell erkennen welcher Schrecken sich dahinter verbirgt.

Winzen: Die CDU in Krefeld will sich geschlossen zeigen und hat den AfD-nahen „Konservativen Kreis“ zurück in den Schoß der Partei geholt. Allerdings hat der „Konservative Kreis“ seine geplante Kampagne gegen die eigenen CDU-Kandidaten nur mit Mehrheit von einer Stimme abgeblasen. Ich bin gespannt, wie lange eine Geschlossenheit auf dieser Basis halten wird. Demgegenüber ist meine Haltung zur AfD eine ganz klare: Die AfD ist nicht nur rechtspopulistisch. Sie verkündet Botschaften, die menschenverachtend, rassistisch und zum Teil rechtsextremistisch, verhetzend, gewalttätig und hasserfüllt sind. Ich stelle mich der AfD sachlich und argumentativ, vor Ort in Krefeld und Tönisvorst, an Infoständen, in persönlichen Gesprächen, aber auch im Internet und in den sozialen Medien.

Was erwartet die Krefelder im Wahlkampf vonseiten der SPD? Schilderwald, Wahlkampf 3.0, Marktstände?

Winzen: Schauen wir auf die letzten Wahlkämpfe, so haben wir das ganz gut hinbekommen. Da werden wir ansetzen. Es gibt den traditionellen Wahlkampf mit Plakaten und Flyern. Ich will aber ganz bewusst auch neue Wege gehen und werde eine „WhatsApp-Sprechstunde“ anbieten. Ich bin über das Internet ansprechbar, genauso aber am Marktstand.

Spanier-Oppermann: Ohne Schilder wäre der Wahlkampf ja kein Wahlkampf. Sicherlich wird es auch in diesem Wahlkampf Plakate geben. Letztendlich ist für mich entscheidend, dass ich die Krefelderinnen und Krefelder erreichen kann. Dafür nutze ich gemeinsam mit meinem jungen Wahlkampfteam alle gängigen Plattformen. Der klassische Infostand ist im Übrigen immer noch die beste Möglichkeit, persönlich ins Gespräch zu kommen. Wenn man sich gegenübersteht, spricht man anders miteinander als in der Kommentarfunktion von Facebook.

Welche Aufgaben sehen Sie für sich persönlich, sollten Sie es nach Düsseldorf schaffen? Was sind die Krefelder Baustellen?

Winzen: Ich gehe fest davon aus, dass die Kombination Fraktionsvorsitz und Landtagsmandat eine sehr gute ist. Das hat die Arbeit von Uli Hahnen als Kümmerer für Krefeld gezeigt und das möchte ich zukünftig als Kümmerer für Krefeld und Tönisvorst zeigen. Ich will vor allem eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen erreichen, mich für mehr Investitionen in unsere Infrastruktur einsetzen, eine gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule sowie mehr Sicherheit durch mehr Polizisten für Krefeld und Tönisvorst erreichen.

Spanier-Oppermann: Bisher habe ich im Landtag in drei Ausschüssen gearbeitet, mit dem Schwerpunkt Bildung und Arbeitsmarktpolitik. Darüber hinaus bin ich Sprecherin meiner Landtagsfraktion, bearbeite auf diesem Feld gesellschaftspolitische Fragestellungen am Puls der Zeit. Die Verzahnung Kommune und Land sehe ich in der Weiterentwicklung des Lernnetzwerkes „Kein Kind zurücklassen“ sowie in der Schulpolitik, wo ich den Schwerpunkt in der Krefelder Schulentwicklungsplanung sehe.