Medizin: OP mit dem Baumarkt-Bohrer
In einem Krankenhaus in Kamerun hat der HülserKrankenpfleger Sven Vogel bei Eingriffen assistiert.
Krefeld. Ein traditionelles Gewand und zahlreiche Fotos erinnern Sven Vogel an einen aufregenden Trips nach Kamerun. Der Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin aus Hüls erinnert sich gerne an den zweiwöchigen Aufenthalt in dem westafrikanischen Land. Diese Reise, das war mehr als ein Ausflug, mehr als Ferien und noch viel mehr als Urlaub. "Eigentlich bin ich mitgeflogen, um einmal den Krankenhausalltag dort kennen zu lernen", sagt der 31-Jährige.
Dann aber tat Vogel das, was in Deutschland eigentlich nur Ärzte dürfen: Er narkotisierte Patienten, gab intravenöse Injektionen. "In Kamerun wird jeder Einzelne mit Fachkenntnissen gebraucht", erklärt er. "Natürlich hatte ich ein mulmiges Gefühl. Aber ein richtig schlechtes Gewissen hätte ich gehabt, wenn ich meine Hilfe verweigert hätte."
Durch seine Freundschaft zu dem Unfallchirurgen Yves Obiombok (38) aus Kamerun war Sven Vogel in das afrikanische Land gekommen. "Yves und ich haben uns beim Deutschen Roten Kreuz getroffen. Dort bin ich als ehrenamtlicher Rettungsassistent, er als Notfallarzt tätig", sagt der Fachkrankenpfleger.
"Ich wollte immer schon etwas im Ausland machen. Also fragte mich Yves, ob ich in seine Heimat mitkommen wollte." Yves Obiombok verwendet seinen Urlaub, um für "Camfomedics" tätig zu werden. Das ist ein gemeinnütziges Forum, das sich als Brücke zwischen Europa und Kamerun versteht. Es wurde 1994 von kamerunischen Medizinern und Studenten gegründet.
"Camfomedics sucht jedes Jahr ein anderes Krankenhaus aus, in dem Ärzte wie ich bis zu zwei Wochen ehrenamtlich arbeiten", erklärt Obiombok. "Es gibt bei uns keine allgemeine Krankenversicherung. Deshalb ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung vergleichsweise schlecht." Obiombok und Vogel halfen in einem Hospital in Ngaoundere aus. Das ist die Hauptstadt der Provinz Adamoua im Norden des Landes mit rund 200000 Einwohnern.
Sven Vogel bemerkte sofort, dass die Schwestern die Patienten weder pflegen noch mit Essen versorgen. "Das ist Aufgabe der Angehörigen", lernte er. "Um jedes Krankenbett schart sich eine Traube von Verwandten."
Die technische Ausstattung fiel Vogel ebenfalls ins Auge. "Eine Herausforderung", kommentiert er. "Es gab zwar moderne Geräte. Sie funktionierten aber nicht." So musste eine Narkose auch mal ohne elektronische Kontrolle eingeleitet werden. "Ein reiner Blindflug", räumt Vogel ein.
Improvisation sei weiterhin bei chirurgischen Instrumenten gefragt: "Bei manchen Knocheneingriffen muss der Bohrer aus dem Baumarkt herhalten", schildert Obiombok. Eine Operation, bei der die beiden Freunde aus Deutschland zusammen gewirkt haben, werden sie so schnell nicht mehr vergessen: "Eigentlich war es ein harmloser Bruch, der mit einer Schraube stabilisiert werden sollte", erzählt der Mediziner.
"Die Schrauben, die wir zur Verfügung hatten, passten aber alle nicht." Spontan musste ein Kollege nach Hause fahren, um aus seiner Reserve noch ein Exemplar locker zu machen. "Da habe ich ganz schön geschwitzt", erinnert sich Sven Vogel. "Durch die Verzögerung war nämlich nicht klar, ob die Narkose so lange anhält." Der Patient bekam von der ganzen Hektik dann doch nichts mit.
Zwar sei sie sehr anstrengend gewesen, die anspruchsvolle Arbeit unter diesen Bedingungen und in einer fremden Sprache (Französisch) zu leisten. Doch für Sven Vogel steht fest: Im kommenden Jahr will er wieder mit Yves Obiombok nach Kamerun fliegen. Er hofft, dass die Krefelder bis dahin etwas für die dortigen Krankenhäuser spenden. "Das können auch Geräte, Instrumente oder Know-How sein", sagt Sven Vogel.