Menschliches Erbgut schlummert bei extremer Kälte
Humane Gewebeproben werden in der Cryo-Bank in Stickstoff jahrelang eingelagert.
Krefeld. Nebelschwaden steigen aus dem Stahlbehälter auf und man kann kaum erkennen, was sich darin befindet. Etwas besonders Wertvolles: menschliches Erbgut. "Man darf ohne Schutzhandschuhe nicht zu weit in den Behälter fassen oder die Stahlhaut berühren, denn dann droht man, sich zu verbrennen", erklärt Dagmar Kerkau (53), Leiterin der Cryo-Bank am Fütingsweg.
Dabei steigt nicht etwa große Hitze aus den Fässern auf, sondern Eiseskälte in Form von verdampfendem Stickstoff: Minus 196Grad herrschen dort drin, ohne die nötigen Vorsichtsmaßnahmen kann man sich Kälteverbrennungen zuziehen. "Aber wir sind gut geschützt", sagt Cryo-Bank-Mitarbeiter Gunnar Löbbe und zeigt mit seinen in großen blauen Handschuhen steckenden Fingern auf seine Schutzmaske im Gesicht. "Wenn man länger am Stickstoff arbeitet, muss man aber Pausen einlegen, da die Kälte irgendwann auch durch die Schutzkleidung dringt."
Der flüssige Stickstoff sorgt für diese extremen Temperaturen. "Wir lagern Erbgut, Knochenmarkstammzellen und biologische Proben in unserer Sammelbank", erklärt die Leiterin. In der Gasphase des Stickstoffs kühlen die Proben auf über minus 130Grad herunter und können so lange gelagert werden.
"Unsere Kunden sind krebskranke Frauen, die vor den Strapazen einer Chemotherapie Eizellen einlagern, oder Männer, die vor einer Sterilisation Sperma verwahren wollen, falls sie doch noch einmal einen Kinderwunsch hegen sollten", zählt Kerkau nur einige Beispiele auf.
Seit 30 Jahren gibt es die Cryo-Bank, die zu dem Gashersteller Air Liquide gehört, in Krefeld. Wenn man den Keller betritt, in dem sich die Sammelbank befindet, muss man zunächst durch mehrere Sicherheitstüren, die immer dicker werden, je näher man den Lagerräumen kommt.
"Es hat schon Schutzraumcharakter. Nicht mal eine Explosion kann dem Material etwas anhaben", sagt Kerkau und schließt die 30 Zentimeter dicke, blaue Stahltür, die die Räumlichkeiten luft- und druckdicht macht. "Damit garantieren wir unseren Kunden, dass ihre Proben absolut sicher bei uns aufgehoben sind." Die Lagerdauer ist technisch unbegrenzt, "aber häufig enden Verträge mit uns durch Sterbefälle oder weil eine Verlängerung nicht gewünscht wird", erklärt Kerkau.
Oder eben, wenn der Zeitpunkt da ist, dass die Probe die eiskalten Behälter verlässt und zum Einsatz kommt. "Die Resultate kann man dann in einem Bilderrahmen bei uns im Flur sehen: der Nachwuchs einiger unserer Kunden", sagt Kerkau.