Tatort an der Tannenstraße
Bastian Feldkeller hat die Sendung ins Café geholt. Gäste tippen auf den Mörder.
Krefeld. „Immer wieder sonntags . . . 20.15 Uhr“ verkünden die selbst geschriebenen Kärtchen auf den Tischen des Cafés. Und eigentlich ist jedem Gast sofort klar, was gemeint ist — auch wenn er nicht mehr auf die Rückseite schaut. Denn der Sonntagabend gehört seit nunmehr 40 Jahren den Kommissaren vom „Tatort“.
Auch Bastian Feldkeller ist großer „Tatort“-Fan. Seitdem er denken kann, gehört es für ihn zur festen Familientradition, das Wochenende mit einem spannenden Krimi abzuschließen. Und als er im Café an der Tannenstraße die Sonntagabendschicht gewinnt, will er auf dieses liebgewonnene Ritual nicht verzichten. „Also habe ich den ,Tatort’ an meinen Arbeitsplatz geholt“, sagt der 28-Jährige lachend.
Das Rad neu erfunden hat er mit dieser Idee nicht: In vielen großen deutschen Städten treffen sich Krimi-Fans zum Rudelgucken, wenn die markanten, aber stets beliebten Ermittler den nächsten Fall lösen müssen.
Auch in Krefeld gab es schon einmal den Versuch, das gemeinsame „Tatort“-Schauen zu etablieren — und zwar in der Kulturrampe. „Aber der Großmarkt war wohl zu weit ab vom Schuss, die Leute wollten sich anscheinend nicht extra deswegen auf die Socken machen“, sagt Feldkeller. „Hier im kleinen Café funktioniert das Konzept dagegen super.“
Der Beweis: Um kurz vor acht trudeln die ersten Gäste ein und sichern sich die besten Plätze. Eine schlechte Sicht hat man in dem kleinen Raum aber selbst in der hintersten Ecke nicht — und die Nachzügler werden ohne viel Trara auf Klappstühle zwischen die Tische gesetzt. Um Punkt 20.15 Uhr, als die „Tatort“-Musik erklingt, ist es richtig voll.
Die meisten im Publikum haben einen weißen Zettel und einen Stift vor sich liegen. „Es war die Idee eines Stammgastes, das Mörder-Tippspiel zu veranstalten“, berichtet Initiator Feldkeller, der Technische Informatik an der Hochschule Niederrhein studiert. „Seitdem rätseln viele mit.“ Einzige Bedingung: Man muss sich bis 21 Uhr auf einen Tatverdächtigen festgelegt haben. Derjenige, der am frühesten den richtigen Riecher hatte, gewinnt Ruhm, Ehre und Anerkennung.
Beim Bremer Tatort „Stille Wasser“ am vergangenen Sonntag tappen die meisten Gäste lange im Dunkeln. Ein Mann und eine Frau sind erstochen worden. Ihre Tochter hat den Mord mit angesehen, spricht aber kein Wort. Hatte die Tat etwas mit dem Drogenschmuggel zu tun, in den das männliche Opfer verwickelt war? Oder war es doch eine Beziehungstat? Die meisten schauen ziemlich ratlos aus der Wäsche.
Wibke Leder traut sich als erste, ihren Tipp abzugeben, es ist ungefähr zwanzig vor neun. „Sie arbeitet bestimmt beim WDR“, tönt es ironisch vom Nebentisch. Und tatsächlich — nur ein anderer hat wie sie richtige Menschenkenntnis bewiesen und auf die einsame Geliebte des Opfers gesetzt.
„Du bist die Königin heute“, verkündet Bastian Feldkeller feierlich. Und Wibke Leder, großer Fan von deutschen Filmen und natürlich auch vom „Tatort“, erklärt das Geheimnis ihres Erfolgs: „Es war ein spontanes Bauchgefühl, als ich die Schauspielerin sah“, sagt sie. „Die ist nämlich ziemlich bekannt, und deshalb konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie nur eine unwichtige Nebenrolle spielt.“ Da bleibt nur zu sagen: Clever kombiniert.