Verberg: Wo Nachbarn noch Freunde sind
Die WZ erkundet mit Jürgen Post, Herbert Benger und Wilfried Felder den grünen Stadtteil im Krefelder Norden.
Krefeld-Verberg. Wenn dieses Trio durch Verberg schlendert, ist niemand vor ihm sicher: Jeder Radfahrer und Fußgänger wird gegrüßt — immer mit einem flotten Spruch und manchmal auch per Handschlag. Schließlich ist man eine Familie, zumindest im Sinne der Vereinszugehörigkeit. Und so werden die Leute einem als Schützen-, Skat- oder sogar Angelbrüder — beziehungsweise -schwestern — vorgestellt.
„Die meisten Menschen, die schon lange in Verberg leben, sind Lokalpatrioten“, sagt der 54-jährige Jürgen Post, der sein ganzes Leben in dem Krefelder Stadtteil verbracht hat. „Sie pflegen das Brauchtum, sind in vielen Vereinen aktiv und kennen sich untereinander.“ Zwei Paradebeispiele für diese Mentalität sind Wilfried Felder und Herbert Benger, 61 und 64 Jahre alt, zwei selbst ernannte „Ur-Verberger“, die „bei einer Hausgeburt auf Verberger Grund und Boden das Licht der Welt“ erblickten. Sie engagieren sich unter anderem im Mundartkreis und im Heimatverein und kennen sich entsprechend gut aus in dem Stadtteil im Krefelder Norden.
Jürgen Post
Der Spaziergang startet am „Hotspot“ Verbergs: am Haus Kleinlosen an der Zwingenbergstraße, das direkt neben der katholischen Kirche Christus König liegt. Hier wird häufig, ordentlich und lang gefeiert — ob an Karneval, zur „Eärpelstour“ am 1. Mai oder zum Schützenfest. Kneipensterben gibt es anderswo, die Verberger treffen sich regelmäßig in ihren zahlreichen Gaststätten.
Zuerst geht es über den Europaring zum Verberger Waldfriedhof, der direkt neben dem Stadtwald liegt. Am Eingang steht ein Denkmal für einen im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten, der dort begraben ist. „Mein Vater und andere Männer von hier haben ihn in Heinsberg gefunden“, erzählt Herbert Benger. „Weil niemand wusste, wer er war, bekam er in Christus König die Totenmesse und wurde begraben.“ Der Helm, in dem noch das Einschussloch zu sehen ist, war insgesamt 19 Jahre lang verschwunden. „Und dann war er plötzlich über Nacht wieder da.“ Auf dem kleinen Waldfriedhof steht seit 1935 auch die Familiengruft der Bengers. „Es ist mein Traum, hier begraben zu werden“, sagt er dazu.
Früher gehörte das Bauerndorf Verberg zu Bockum und wurde 1907 zusammen mit dem großen Nachbarn von der Stadt Krefeld eingemeindet. „Dort, wo heute der Europaring ist, war früher die Trasse für eine Straßenbahn nach Duisburg geplant“, berichtet Wilfried Felder. „Doch daraus ist, wie man sieht, nichts geworden.“
Jürgen Post erinnert sich gut an die Zeit, als die Zwingenbergstraße noch nicht vom Europaring zweigeteilt wurde: „Als Kinder haben wir auf der Nordtangente gespielt. Da standen da noch lauter Obstbäume.“ Überhaupt habe sich Verberg mit den Jahren stark verändert, ergänzt Post, während er und seine Begleiter den kleinen Zipfel des Stadtteils südlich des Rings verlassen.
Früher gab es mehr als 20 landwirtschaftliche Betriebe in Verberg. Felder, Wiesen, alte Rheinarme und Kopfweiden prägten die Landschaft — heute sind es schmucke Ein- oder niedrige Mehrfamilienhäuser. „Die Bauern haben erkannt, dass Bauland die besten Erträge bringt“, sagt Herbert Benger.
Die zahlreichen Neubürger werden in dem gehobenen Wohngebiet Krefelds immer herzlich willkommen geheißen. Benger, der auch im St. Martinskomitee aktiv ist, lernt bei seinen Sammelrunden durch die Bezirke viele Menschen kennen. Auf der Gatzenstraße, wo er geboren wurde und seit vielen Jahren wohnt, kennt er bereits jeden. „Mit den meisten bin ich entweder befreundet oder verwandt“, sagt er lachend.
Und als die Spaziergänger am Gut Heyenbaum ankommen, das erstmals um 1600 erwähnt wurde und mittlerweile ganz in Weiß mit roten Fensterläden erstrahlt, wird Benger sogar ein wenig nostalgisch: „Ich habe auf dem Gut mehrere Jahre gewohnt und dort unter anderem meine Sturm- und Drangzeit erlebt.“ Damals gehörten noch rund 120 Morgen Land zum Gut Heyenbaum, das entspricht rund 30 Hektar. Es gab somit jede Menge zu tun. Mittlerweile ist der ehemalige Bauernhof zum In-Treff der Verberger geworden.
Nach dem Spaziergang wird klar: Eigentlich haben Benger, Felder und Post nichts zu meckern. Nur, dass es keine Möglichkeit zum Einkaufen gibt, stört sie. „Das ist vor allem für ältere Leute lästig, die nicht mehr mobil sind“, sagt Felder. „Ein Supermarkt stünde Verberg außerordentlich gut zu Gesicht.“