Trampolin: Knochenarbeit mit Anmut
Die Abteilung des Kempener Turnvereins ist die größte in Deutschland. Für den Sport braucht man viel Disziplin.
Kempen. Aus knapp acht Metern Höhe fällt Joscha Prießen auf das Sprungtuch. Jeder Muskel in seinem Körper ist angespannt. Mit den Füßen voran sackt er ein - fast bis auf den Boden. Das Sprungtuch und die Federn zur Befestigung am Rahmen katapultieren ihn wieder in die Höhe.
Er saust gen Hallendecke, reißt die Arme auseinander, drückt den Rücken nach hinten durch. Am höchsten Punkt dreht er sich wie in Zeitlupe ein wenig um die horizontale Achse nach vorne. Mit der Brust voran segelt er eine Weile gen Sprungtuch, um sich im letzten Moment einzurollen. Halb im Sitzen, halb auf dem Rücken landet er, federt wieder nach oben und setzt zum nächsten Sprung an.
"Der Salto vorwärts ist nur eine Vorübung", sagt Ulla Schori, Vorsitzende des Kempener Turnvereins und Trainerin der Trampolin-Abteilung. Zwei Trampoline weiter springt ein junges Mädchen konzentriert auf und ab, vollführt einen Salto rückwärts mit gestreckten Beinen.
"Die Bewegungen müssen perfekt sein", erklärt Schori. Selbst aus dem Augenwinkel entgeht der Trainerin nichts: "Lea, das kannst du aber besser, Joscha, deine Beine waren wieder nicht zusammen."
Beim Trampolinspringen gibt jedes krumme Bein, jedes unsauber ausgeführte Element Abzug in der Wertung. "Das ist ein ästhetischer Sport - eine Mischung aus Anmut und Kraft." Deshalb tragen die Turner eng anliegende Kleidung. Bei Wettkämpfen achten fünf Haltungskampfrichter auf die Körperhaltung und zwei Schwierigkeitskampfrichter bewerten Jede Drehung, ob vertikal oder horizontal, mit Extrapunkten.
Schoris Tipp für Anfänger: "Körperspannung. Das ist das aller wichtigste. Und Mut gehört dazu." Denn Anfänger bekommen es schnell mit der Angst zu tun. Das Herz hämmert von innen gegen die Brust, die Luft bleibt weg und das feinmaschige Sprungtuch verschwimmt im Neonlicht der Turnhalle vor den Augen.
Den Anfänger beschäftigt zunächst, nur nicht in Schräglage zu geraten oder gar neben das Trampolin zu springen. Erst einmal gilt es, den Bewegungsablauf zu verinnerlichen.
Steigt der Springer nach oben, führt er die Arme mit einer Schwimmbewegung ausgestreckt und parallel bis neben die Ohren. Die Füße sollten bei der Landung fast schulterbreit auseinander stehen. Zieht der Springer einen Arm zu weit, dreht er sich, ohne es zu wollen.
Wer gleich zu Anfang hoch hinaus will, wird von der eigenen Angst gebremst und mit einem zitternden Körper und Knien aus Gummi auf den Boden der Tatsachen zurück geholt: So leicht, elegant und schwerelos es aussieht, Trampolinspringen ist Knochenarbeit und erfordert ein Höchstmaß an Konzentration und Körperspannung.
Das schüttelt der Profi aus dem Handgelenk. Bei Joscha darf es der Fliffis Rudi sein, "ein doppelter Salto vorwärts mit eineinhalb Schrauben", erklärt die Trainerin. Wie aufs Stichwort saust Joscha mit einem gewaltigen Kawumm in die Höhe, wirbelt mehrmals gleichzeitig um die vertikal und horizontale Achse und landet sauber im Stehen. Das ungeschulte Auge kommt fast nicht hinterher.
Dahinter steckt viel Ehrgeiz und Übung. Dreimal in der Woche je drei Stunden trainieren die Profis. "Das ist schon ordentlich, da müssen die jungen Leute auf viel verzichten", sagt Ulla Schori. "Ich habe 1982 mit acht Kindern angefangen", sagt die Trainerin. Mittlerweile ist die Trampolinabteilung Landesleistungs-Stützpunkt und die größte in Deutschland.