Am Vortag des Krieges: Wuppertal in fiebriger Spannung

Das passierte zwischen 1912 und 1916 in den Wupperstädten.

Wuppertal. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis auf der Höhe des Vietnamkrieges die Presse allgegenwärtiger Begleiter blutigster und schmutzigster Ereignisse wird und die Berichterstattung sogar indirekt Einfluss auf das kriegerische Geschehen nimmt. Immerhin aber ist der General-Anzeiger kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit Auslandsreportern schon dicht an den entscheidenden Schauplätzen.

So berichtet die Zeitung auch aus der Kleinstadt Zabern in Elsass-Lothringen, wo es zwischen Einheimischen und deutschen Soldaten zu Rangeleien kommt. Offiziere der Garnison müssen sich vor dem Militärgericht verantworten, werden aber freigesprochen. Die Vorfälle wachsen sich zu einer Affäre aus, die in der gesamten internationalen Presse für Furore sorgt und dem Ansehen der Deutschen enormen Schaden zufügt. „Wartet nur, in zwei Jahren weht die Trikolore über den elsass-lothringischen Städten!“, zitiert der General-Anzeiger seine Pariser Kollegen.

Um diese Zeit haben die Tages- und Fachzeitungen des Verlages Girardet etwa 769 000 Bezieher, die gebannt dem politischen Geschehen folgen. Da trifft an einem Sonntag im Juni 1914 ein Telegramm in der Redaktion ein: In Sarajewo ist das österreichische Thronfolgerpaar Opfer eines Attentats geworden. Weil das Verlagsgebäude nur mit einem Notdienst besetzt ist, kann der herbeigerufene Redakteur kein Extrablatt drucken lassen. Darum schreibt er mit Buntstiften kurze Notizen auf Zettel, die in aller Eile an Knotenpunkten der Stadt ausgehängt werden. Wuppertal weiß sich sogleich in bitterer Gewissheit: Es wird Krieg geben!

„Ein entsetzliches, fluchwürdiges und in seinen Folgen für die Donaumonarchie nicht absehbares Verbrechen ist am gestrigen Sonntag von einem 19-jährigen serbischen Studenten in Sarajewo verübt worden“, heißt es am Montag nach dem Attentat im General-Anzeiger. Einige Wochen lang bleibt fraglich, ob die Situation eskalieren wird. Die Zeitung ist jetzt der direkte Draht zu den beängstigenden Geschehnissen in der Fremde. So verbringen die Bürger manche Stunde vor dem Verlagshaus, um eingehende Nachrichten sogleich zu erfahren.

Am 2. August trifft um 6.10 Uhr eine amtliche Nachricht ein. Die Mobilmachung ist befohlen. Noch bevor der Anschlag am Rathaus hängt, sind Extrablätter des General-Anzeigers unterwegs. Die Zeitungsboten werden allerdings weniger mit Besorgnis als mit Überschwang empfangen. Zahlreiche Männer sind spontan bereit, Wehrdienst zu leisten. Die Euphorie beginnt zu schwinden, als bald durch Spekulationsgeschäfte die ersten Versorgungsgüter knapp werden. Auch Papier ist nicht mehr in beliebiger Menge erhältlich, so dass der GA trotz unverminderter Nachfrage seine Produktion bremsen muss. Auch inhaltlich erfährt die Zeitung einen Einschnitt: Das Militär verhängt eine Zensur.

Doch der General-Anzeiger hat in diesen Jahren nicht nur das Weltgeschehen im Blick. Im Juni 1914 etwa sorgt der Entfesslungskünstler Elwinow am Bendahler Teich für Aufsehen, als er sich — eingeschlossen in einen Reisekoffer — ins Wasser werfen lässt, nur um wenig später wohlbehalten wieder aufzutauchen. Die Leser lassen sich nur zu gern vom Ernst des Krieges ablenken.

“ Mehr zum Ersten Weltkrieg am kommenden Donnerstag