Stichwahl Andreas Mucke (SPD): "Wuppertal kann nichts mehr sparen"

Der Herausforderer: Andreas Mucke (SPD) ist Ingenieur und Geschäftsführer. Der Sozialdemokrat ist 48 Jahre alt, geschieden und hat drei Kinder.

Foto: Jens Grossmann

Herr Mucke, was tun Sie, um den Umbau des Döppersbergs für Fußgänger und Autofahrer verträglicher zu machen?

Andreas Mucke: Mit einem einfachen „Weiter so“ ist es nicht getan. Es wird alles noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden müssen, ohne dass es dabei zu Zeitverzögerungen kommt. Wir müssen das jetzt endlich vorliegende Verkehrsgutachten auf belastbare Aussagen prüfen. Die zahlreichen Anregungen, die aus der Bevölkerung und von den Einzelhändlern gekommen sind, müssen in den Abwägungs- und Entscheidungsprozess mit einfließen. Die Situation für Fußgänger ist rund um den Hauptbahnhof unzumutbar.

Wie gewährleisten Sie, dass die Kosten des Projektes nicht aus dem Ruder laufen?

Mucke: Bei einem Projekt dieser Komplexität, dieser Größenordnung und dieser Vorgeschichte zu garantieren, dass der Kostenrahmen eingehalten wird, wäre nicht nur mutig, sondern auch unseriös. Ich hoffe, dass die vorgesehenen Reserven groß genug sind, um eventuell auftretende Schwierigkeiten zeitlich und finanziell zu meistern.

Woran kann die Stadt Wuppertal noch sparen?

Mucke: Gar nichts mehr. Wenn ich daran denke, was allein durch die Flüchtlingsproblematik noch zusätzlich auf die Stadt zukommen kann, habe ich die zwingende Forderung an Bund und Länder, dass die Kommunen dauerhaft entlastet werden. Beim Amtsantritt wird es notwendig sein, ohne Rücksicht auf Vergangenes einen Kassensturz durchzuführen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir mehr in Vorbeugung investieren müssen, um langfristig unsere Ausgaben im sozialen Bereich, zum Beispiel bei den Hilfen zur Erziehung, zu senken. Allein wird die Stadt das nicht schaffen. Ohne eine grundsätzliche Neustrukturierung des Bund-Länder-Gemeinde-Finanzsystems wird Wuppertal aus seiner strukturell bedingten finanziellen Misere nicht herauskommen. Auch einen Altschuldenfonds für die kommunalen Kassenkredite halte ich für erforderlich, um die Zinslasten und das Risiko steigender Zinsen für den städtischen Haushalt zu senken.

Wie werden Sie die Einnahmen der Stadt Wuppertal verbessern, damit nicht so viel gespart werden muss?

Mucke: Die Möglichkeiten sind sehr beschränkt. Weitere Erhöhungen der Gebühren und Entgelte bei städtischen Angeboten und Dienstleistungen müssen vermieden werden. Mit einer noch aktiveren Wirtschaftsförderungspolitik müssen wir versuchen, weitere Unternehmen in unserer Stadt anzusiedeln, die dann aber auch Gewerbesteuer zahlen sollen.

Wie erreichen Sie es, dass Bund und Land nicht weiter Kosten auf die Stadt abwälzen?

Mucke: Es wird eine permanente Aufgabe der in Wuppertal gewählten Abgeordneten sein, den jeweiligen Regierungen in dieser Frage auf die Finger zu sehen.

Was sind Ihre Grundanforderungen an ein Unternehmen, das sich in Wuppertal niederlassen möchte?

Mucke: Das „ideale Unternehmen“ für Wuppertal hat einen hervorragenden Ruf, nutzt die vielfältigen Möglichkeiten der Stadt zum Beispiel durch die inhaltliche Nähe zur Bergischen Universität und zu den anderen Instituten in der Stadt, bringt hoch qualifizierte und gut bezahlte Arbeits- und Ausbildungsplätze mit, die dann auch dem kommunalen Anteil an der Einkommensteuer gut tun. Weiter vertritt es hohe ethische und soziale Werte, praktiziert Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit nicht nur auf dem Papier und sorgt für ein auskömmliches Gewerbesteueraufkommen. Aber: Die Welt kann man sich nicht schön malen — die Realität sieht anders aus und Abstriche an dem oben skizzierten Idealbild lassen sich nicht immer vermeiden.

Was tun Sie, damit in Wuppertal die Zahl der Arbeitslosen weiter sinkt?

Mucke: Alles, was in kommunaler Macht steht: So weit wie möglich Investitionen ermöglichen und die zahlreichen Qualitäten der Stadt nach außen tragen, um sich Unternehmen zu empfehlen und so Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei müssen wir als Stadt auch einen erstklassigen Service für Unternehmen bieten. Gleichzeitig müssen wir in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter und der Arbeitsagentur die Rahmenbedingungen zum Erhalt und Ausbau von Arbeits- und Ausbildungsplätzen verbessern, das Bildungs-, Weiterbildungs- und Qualifizierungssystem stärken und manchmal auch einfach: Mut machen.

Wie und mit welchem Geld sorgen Sie dafür, dass es in Wuppertal genügend Betreuungsplätze für Kinder gibt?

Mucke: Der Ausbau der Betreuungsquote in Wuppertal ist besonders durch die Anstrengungen des Jugend- und Sozialdezernenten Stefan Kühn mit dem Einsatz von Bundes-, Landes- und kommunalen Mitteln erheblich verbessert worden. Die Quote für Betreuungsangebote für die Unter-Dreijährigen von 40 Prozent entspricht aber jetzt schon nicht mehr dem realen Bedarf. Daher wird ein Schwerpunkt meiner Finanzpolitik sein, den Ausbau der Betreuungsangebote mit weiteren finanziellen Mitteln auszustatten. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die hierfür notwendige Verschiebung von Haushaltsmitteln mehrheitsfähig wird. Gleichzeitig muss auch der Offene Ganztag ausgebaut werden, damit Kinder bis zur weiterführenden Schule umfassend betreut werden. In wenigen Jahren soll daher 50 Prozent aller Grundschüler ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen.

Was konkret tun Sie, um den Kundenservice der Stadtverwaltung zu verbessern?

Mucke: Die Stadt muss den Bürger als Kunden begreifen und Prozesse dementsprechend planen. Die Verwaltung sollte Türen öffnen, Hürden abbauen und als Berater und Möglichmacher zur Verfügung stehen. Viele Bürger erwarten zu Recht auch bei der Verwaltung den Service und den Komfort digitaler Interaktion wie bei privaten Dienstleistern. Unter dem Stichwort E-Government werden diese Ziele strategisch neu ausgerichtet. Dies ist eine der weiteren Kernaufgaben im neuen Dezernat von Herrn Paschalis.

Braucht Wuppertal wirklich ein Dezernat für Bürgerbeteiligung?

Mucke: Der Rat der Stadt hat das neue Dezernat mit Bedacht eingerichtet. Dort liegt zum einen das Management der kommunalen Unternehmen (zum Beispiel WSW, AWG, GWG). Deren Steuerung und Kontrolle im Sinne der Bürgerschaft ist eine sehr wichtige Aufgabe. Das neue Dezernat umfasst aber auch die bedeutsamen Verwaltungseinheiten Einwohnermeldeamt, Straßenverkehrsamt und Servicecenter. Die Identifikation des neuen Dezernats allein mit dem Thema Bürgerbeteiligung ist eine unzulässige Verkürzung. Wobei jedoch die Aufgabe „Beteiligung und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger“ nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Wie schaffen Sie es, dass Wuppertals Straßen in absehbarer Zeit in einen brauchbaren Zustand versetzt werden?

Mucke: Die bisherige Flickschusterei ist wirklich eine Zumutung. Die unlängst zugesagten Hilfen des Bundes für kommunale Investitionsvorhaben kommen hoffentlich wirklich bei den Kommunen an. Wuppertals Aufgabe wird es sein, dieses Geld nach einem sinnvollen Konzept einzusetzen.

Wie bewerten Sie das Risiko für die Wuppertaler Stadtwerke durch die Beteiligung am Kohlekraftwerk Wilhelmshaven?

Mucke: Da das Kraftwerk zu den modernsten fossilen Kraftwerken Europas gehört mit Emissionen von 50 Prozent unter den gesetzlichen Vorgaben und einem Wirkungsgrad von 46 Prozent, ist es als Ersatz für alte Kohlekraftwerke (zum Beispiel Braunkohlekraftwerke) vertretbar. Entscheidend wird hier die weitere Ausgestaltung der Energiewende auf Bundesebene sein, damit das Kraftwerk bald wirtschaftlich arbeiten kann. Für mich gilt aber nach wie vor der alte Grundsatz: Global denken — lokal handeln. Daher meine ich, dass die Stadtwerke unbedingt, schnell und konsequent den Weg dezentraler Energieversorgung unter anderem mit Blockheizkraftwerken und Nahwärme-Netzen gehen und entscheidend in die Förderung regenerativer Energien investieren müssen.

Wie stellen Sie sicher, dass qualifizierte Frauen es in die Chefetagen von städtischen Tochtergesellschaften wie Stadtwerke und Stadtsparkasse schaffen?

Mucke: Alle Vorschläge von Ministerin Schwesig zur Verbesserung des Frauenanteils in den Führungsgremien öffentlicher und privater Unternehmen finden meine Zustimmung und Unterstützung. Dies wird allerdings nicht von einer Einzelperson entschieden, deshalb kann ein Oberbürgermeister es nicht allein sicherstellen. Ich möchte in dieser Hinsicht eine Vorbildfunktion ausüben.

Wie werden Sie die Entwicklung von Stadtteilen wie Oberbarmen, Wichlinghausen und Heckinghausen fördern?

Mucke: Gerade in diesen - aber auch in anderen Stadtteilen - gibt es viele ermutigende An-sätze zur Quartiersverbesserung. Die Menschen in den Quartieren können, wollen und sollen mitreden und mitgestalten. Ihr Viertel ist ihre Heimat, hier sind sie zu Hause. Insofern ist Quartierentwicklung ein Kernthema künftiger Stadtentwicklung und ein Schwerpunkt meiner Arbeit als OB.

Unterstützen Sie die Seilbahn nach Küllenhahn auch gegen den erklärten Widerstand der Anwohner?

Mucke: Es liegen bisher weder entscheidungsreife Machbarkeitsstudien vor, noch ist über alternative Trassenlösungen ernsthaft nachgedacht worden. Insofern sollte diese Diskussion geführt werden, wenn es eine solide Grundlage dafür gibt. Dann müssen Befürworter wie Gegner aufeinander zugehen und einen offenen Dialog führen. Das gehört zur neuen Beteiligungskultur, für die ich antrete.

Wie schaffen Sie es, dass mehr Wuppertaler auf Bus und Schwebebahn umsteigen?

Mucke: Es wäre eine Überlegung wert, dem Beispiel der Deutschen Bahn zu folgen und im VRR die Fahrkartenpreise einmal nicht zu erhöhen, um die Attraktivität von Bus und Schwebebahn weiter in der Bevölkerung zu verankern.

Wie stellen Sie sicher, dass es in Wuppertal dauerhaft Schauspiel, Oper, Orchester und Tanztheater gibt?

Mucke: In einer Großstadt wie Wuppertal hat ein Stadttheater mit seinen drei Sparten, einem festen Opern- und Schauspielensemble, dem Tanztheater Pina Bausch samt Unterbringung im neuen Tanzzentrum sowie dem Symphonieorchester einen festen Platz. Hier hat die Stadtspitze bewusst eingegriffen und durch Fehlentscheidungen den jetzigen desolaten Zustand der städtischen Bühnen verursacht. Mein Ziel ist es, dem Stadttheater zu altem Glanz zu verhelfen. Die Deckelung der Zuschüsse muss aufgehoben werden.

Was wollen Sie konkret für die freie Kulturszene in Wuppertal tun?

Mucke: Ich setze mich für einen Kulturentwicklungsplan und angesichts der knappen Kassen für neue Wege der finanziellen Unterstützung sowie für angemessene Räumlichkeiten ein.

Wie wollen Sie verhindern, dass das Land NRW auf Lichtscheid eine Forensik baut?

Mucke: Es bedarf einer wirklich großen Koalition aller Wuppertaler und insbesondere ihrer Entscheidungsträger in Stadt und Land, um diese Problematik zu lösen. Ich habe mehrfach betont, dass ich Lichtscheid als Standort für eine Forensik ablehne. Für die weitere Diskussion sollte die Stadt endlich alternative Standorte auch in Absprache mit den bergischen Kommunen offensiv ins Spiel bringen.

Befürworten Sie das FOC auf dem Döppersberg, auch wenn es dem bestehenden Elberfelder Einzelhandel schadet?

Mucke: Im Grundsatz kann ein FOC auch für die Wuppertaler Innenstadt eine Ergänzung und eine Bereicherung sein. Denn es wird zusätzliche Besucher nach Wuppertal locken, was eine große Chance für die Stadt und den Einzelhandel bedeuten kann. Aber: Die schon durch die Döppersberg-Baustelle stark in Mitleidenschaft gezogenen Einzelhändler in der Innenstadt brauchen unseren besonderen Schutz. Daher kann ein FOC nur im Dialog mit dem Einzelhandel angesiedelt werden.

Muss die Stadt Wuppertal den Wuppertaler SV auf dem Weg zurück in den Profi-Fußball auch finanziell unterstützen?

Mucke: Es kann nicht Aufgabe einer noch dazu finanzschwachen Kommune sein, professionelle Strukturen im Sport finanziell zu unterstützen. Als WSV-Fan bin ich aber natürlich regelmäßig im Stadion und unterstütze meinen Verein, wo ich kann. Als OB werde ich gerne auch für eine breite Unterstützung des WSV werben. Denn ein höherklassiger Fußballverein ist ein wichtiger Imagefaktor für eine Stadt. Daher appelliere ich an alle Wuppertalerinnen und Wuppertaler: Ab ins Stadion, den WSV anfeuern und dann den Aufstieg feiern.