Hör ma: Immer noch im Tal der Unbeugsamen
Jürgen Scheugenpflug ist Wuppertaler Kabarettist und Leiter der Kabarett-Academy. In seinem satirischen Wochen-Rückblick kommentiert er Ereignisse aus dem Stadtleben.
Wir befinden uns im Jahr 2008 n. Chr. Ganz Wuppertal ist von den Hauptschulschließern besetzt... Ganz Wuppertal? Nein! Ein von unbeugsamen Eltern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den Schulpolitikern Widerstand zu leisten. Wenn eine Elterninitiative in den Sommerferien Unterschriften sammelt, um für den Erhalt der Hauptschule Cronenberg zu kämpfen, hat das schon was.
Und wenn dieses Unterschriftenpaket fast so hoch wie Sozialdezernent Stefan Kühn groß ist, hat das noch mehr. Wenn sich dieser gerne grinsend wie ein Honigkuchenpferd neben dem milde lächelnden OB kniend präsentiert, hat das noch viel mehr. Vielleicht lacht er so, weil er gar nicht weiß, was eine Hauptschule überhaupt ist, weil er nämlich Abitur hat. An manchen Ahnungslosen geht der Kelch mit Wissen um bildungsferne Schichten und dem so genannten Prekariat vorbei.
Lustig: alle Protagonisten bei der Unterschriften-Übergabe strahlten, als hätten sie gerade das Seepferdchen erfolgreich absolviert. Dabei sind sie kurz vor dem Absaufen, denn jetzt prüft "Bademeister" Jung erst mal die Gültigkeit des Dokuments. Das wird sicher bis Herbst 2013 dauern. Dass das Prüfen der Unterlagen vermutlich sehr lange dauern wird, weil Rechnen nicht gerade die Stärke der Wuppertaler Verwaltung ist, steckt der OB natürlich keinem, sondern lächelt penetrant milde wie Peter Hahne auf dem Cover seines Taschenbuch-Bestsellers "Schluss mit lustig".
Aber plötzlich wurde die Situation doch noch ernst. Tief beeindruckt vom Fleiß der wackeren Untertanen hatte der OB eine abschreckende Idee. Ihm war klar, aufgrund der sommerlichen Temperaturen die heilige Kuh eiligst vom Eis führen zu müssen, weshalb er mit der sensiblen Bemerkung auftrumpfte, dass der Papierberg das "Problem der rückläufigen Schülerzahlen" nicht zwingend löse.
Damit hat er unbedingt Recht. Und schon gefror das Lachen in den hitzigen Gesichtern. Eiskalt holte das Stadtoberhaupt nunmehr zum letzten, erbarmungslosen Schlag aus. Blitzgescheit befand er, dass es sicher hilfreicher gewesen wäre, eine andere Hauptschule zu benennen, die anstelle der Cronenberger geschlossen werden sollte. Aber Herr Jung!
Aber die Frau Danowski, redliche Anführerin der Dörper-Revolution, hat direkt Lunte gerochen und spontan mit drei Fingern auf das knallrote T-Shirt geschworen, keinen an den Pranger zu stellen. Doch noch können die Verantwortlichen entspannt verharren. Erst wenn alle Unterschriften gültig sein sollten, kann noch der Kostendeckungsvorschlag für den Erhalt der Schule über 2014 hinaus geprüft werden.
Und anschließend entscheidet der Rat der Stadt Wuppertal, ob ein Bürgerbegehren erlaubt ist. Das alles findet der Bernhard Simon von der CDU überhaupt nicht so toll. Er befürchtet "gefährliche" Diskussionen. Ach ja, Herr Simon, Sie denken, Diskussionen sind nicht gut fürs Volk. Und schon gar nicht für die Regierenden. Der Herr Simon will nämlich, ganz anders als sein Chef, die Schulen nicht gegeneinander ausspielen. Ja watt denn jetz? Habt ihr Euch da nicht abgesprochen? Wenn die Einrichtung ab 2014 keine Hauptschule mehr ist, machen wir doch einfach eine Seniorenresidenz daraus.