Leben im Denkmal (8): Die Schatzkammer der Bleicher
Vor 300 Jahren wurde das Bleicherhaus von Petrus Tönnies erbaut. Die wertvollen Garne mussten damals geschützt werden.
Langerfeld. Sie wurde gegen Einbrecher und Feuer durch eine schwere Metalltüre und vergitterte Fenster geschützt und wie der Heilige Gral bewacht. Die Rede ist von der Garnkammer im ehemaligen Bleicherhaus an der Öhder Straße 51, wo zu Blütezeiten der Wuppertaler Textilindustrie feinste Garne gelagert wurden.
Öhde bedeutet feuchte Flussniederung, die prädestiniert war, um dort die Garne am Ufer der Wupper mittels einer Güte mit Wasser zu benetzen und zu bleichen. Diese Güte hängt im ehemaligen Verkaufsraum, der heutigen Eingangshalle, des Hauses, das 1712 — also vor nunmehr 300 Jahren — von Petrus Tönnies erbaut wurde und Anfang des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Familie Kikuth überging, die das Gebäudeensemble 1853 verkaufte.
Während Lore Schünzel das Haus an der Öhder Straße 53 von ihrer Tante Emilie erbte, ging das Haus Nr. 51 vor 30 Jahren in den Besitz ihres Sohnes Michael über, der heute eine der fünf großen Wohnungen bewohnt.
Im Eingangsbereich des mit originalen Holzschindeln und Schieferplatten ausgestatteten Fachwerkhauses besticht neben dem Zugang zur Garnkammer das ebenso unter Denkmalschutz stehende prachtvolle Geländer des Treppenhauses. Das führt zu den ehemaligen Gesinderäumen im ersten Obergeschoss führt.
Die Deckenhöhe mit 2,20 Meter ist dort um 80 Zentimeter geringer als im Erdgeschoss. Die Barge, an der die Garne gewogen wurden, ist ein weiteres Zeitdokument, das — neben der Standuhr, einer Truhe und einem massiven Schrank aus dem 18. Jahrhundert — gewiss zahlreiche Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen vermag. „Zwei Kaminsteine mit Gravuren sind weitere Zeitzeugen“, berichtet Michael Schünzel, dessen Vater in den 1970er Jahren mit Mutter Lore mit den Renovierungsarbeiten begann. „2011 haben wir dann die Hausfront für 25000 Euro erneuern lassen, denn viele Balken waren durchgefault und mussten ersetzt werden.“
Und Lore Schünzel erinnert sich an die Nachkriegs-zeit, als Tanten und Onkel das Haus bevölkerten und alle gemeinsam den Speicher schrubbten: „Alle sind damals enger zusammen gerückt und Tante Marie hat als Belohnung eine Schwarzwälder Kirsch-Torte gemacht.
Früher seien außerdem oft Schulklassen zur Besichtigung gekommen, die besonderen Gefallen an der Zugklingel fanden. Die Wohnungen sind sukzessive modernisiert worden, haben neue Bäder und Gasheizung und natürlich den besonderen Flair eines Fachwerkhauses mit einem Garten, auf dem einst Schafe und Pferde verweilten. „Das Wohlfühlklima im Fachwerk ist einmalig“, versichert Lore Schünzel, die in diesem Jahr mit ihrem Sohn Michael den 300. Geburtstag des Hauses gebührend feiern will.