Wuppertal sägt am Ast, auf dem es sitzt
offen gesagt
Wuppertal. Die einstmals beglückende Fahrt über die Katernberger Straße wird zunehmend trauriger. Der architektonische Glanz vergangener Tage verblasst. Warum? Weil Einfalls- auf Mutlosigkeit trifft und kraftlose Gremien alles einfach durchwinken. Paradebeispiel ist die gerade entstehende Bebauung an der Ecke Platzhoff-/ Katernberger Straße. Drei emotionslose Wohnquader auf einer so kleinen Fläche, dass der eine Nachbar dem anderen zum Frühstück den Salzstreuer fast durchs Fenster reichen kann. Daneben und in der Umgebung zeugen Prachtbauten von der bedeutenden Geschichte dieser Stadt.
Architektur sollte in der Lage sein, Vergangenheit mit Gegenwart zu verbinden, oder sie sollte so einzigartig sein, dass sie lösgelöst von ihrer Umgebung wirkt. Beides ist im Fall Platzhoffstraße ebensowenig der Fall wie ein paar Meter weiter an der Katernberger Straße, wo vor Jahr und Tag andere „Stadthäuser“ entstanden, ebenso nüchtern, einfallslos und allenfalls funktionell. Es gibt viele andere Beispiele, zu viele.
Wuppertal hat eine bewegte und bewegende Geschichte. Sie ist an wunderbar vielen Stellen in dieser Stadt noch an Häuserzeilen und Villenvierteln ablesbar. Wichlinghausen, Vohwinkel, Barmen, Elberfeld — großartige Großstadtfassaden geben Wuppertal ein Bild, um das es selbst Städte wie Düsseldorf und Köln Wuppertal beneideten, wenn sie denn davon wüssten.
Aber statt mit diesem Pfund zu wuchern, statt dem weithin existenten, aber völlig falschen Eindruck entgegenzuwirken, Wuppertal sei auch nur so eine Verliererstadt im Ruhrgebiet, sägt Wuppertal am Ast, auf dem es sitzt. Bebauung, Grünflächen, Topographie sind Standortfaktoren, mit denen viele Städte werben, selbst wenn sie sich das eigentlich gar nicht leisten können. In Wuppertal hingegen werden architektonisch beeindruckende Stadtviertel mit 08/15-Häuschen belästigt. Schade.