Bundestagswahl 2017 AfD-Wahlkampf: Gauland stellt sich hinter Höcke, "so wie er ist"

Bundestagswahlkampf jenseits der politischen Korrektheit: AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland übt Solidarität mit Rechtsausleger Björn Höcke und beschimpft Migranten.

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Berlin. Die Polizisten haben einen ruhigen Samstagvormittag in Leinefelde, Thüringen. Gegendemonstranten sind nicht gekommen. Bloß vier Mann von der FDP, die sich vor der Obereichsfeldhalle aufgebaut haben. „Protestwähler abgreifen“, sagt einer der Liberalen scherzhaft. Aber bei dieser AfD-Wahlveranstaltung ist für andere Parteien nichts zu holen. Hier präsentiert sich die Rechte der Rechten. Stramm.

Schon beim Eintreffen der Stargäste, Alexander Gauland, Spitzenkandidat, und Björn Höcke, bundesweit bekannter Rechtsausleger aus Thüringen, klatschen die 200 Anhänger begeistert, rufen „Höcke, Höcke“ und schwenken die bereit liegenden Deutschland-„Winkelemente“, wie man hier in der Gegend früher sagte.

Der Auftritt ist für den 45jährigen AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag, der hier seinen Wahlkreis hat, ein Heimspiel. „Bei uns stehen alle 110 Prozent zu Höcke“, sagt der örtliche Bundestagskandidat Jürgen Pohl, ein leibesfülliger Rechtsanwalt, der mit dem Slogan „Bürgerwohl mit Jürgen Pohl“ für sich wirbt. „Na ja, nicht übertreiben, hundert Prozent“, schiebt er hinterher.

Dass Alexander Gauland zusammen mit Höcke auftritt ist ungefähr so, als würde der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz zusammen mit Thilo Sarrazin eine Kundgebung veranstalten, und zwar just zu dem Zeitpunkt, da der SPD-Parteivorstand gegen den Rechtsausleger eine Parteiausschlussverfahren führt. Das ist bei Höcke nämlich der Fall, wegen seiner Dresdener Rede im Januar, als er das Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“ nannte und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte.

Zwar war Gauland immer dagegen, Höcke deswegen rauszuwerfen, doch müsste er als Mitglied des Bundesvorstandes den Mehrheitsbeschluss wenigstens respektieren. Stattdessen sagt er in Leinefelde gleich im ersten Satz und unter großem Jubel: „Ihr habt einen tollen Landesvorsitzenden, behaltet ihn so wie er ist“. Höcke selbst hat sowieso nichts zurückzunehmen. Seinen Holocaust-Satz wiederholt er zwar nicht, sagt aber ausdrücklich, dass er „die ganze politische Korrektheit leid“ sei.

Bei Höcke hört man viel von „natürlicher Vaterlandsliebe“, „Volk“, „Familie“ und „Identität“. Er vermittelt nationalromantische Gefühle, die er dann mit dem Bild von einer „islamische Landnahme“ bricht. Der beurlaubte Gymnasiallehrer aus Lünen in Nordrhein-Westfalen redet über Terroranschläge, „Jungmännerzusammenrottungen“ und „Massenschlägereien“.

Aber das „Altparteienkartell“ lege darüber ein Rede- und Denkverbot, so weit, dass man sich sogar zu Hause nichts mehr zu sagen traue, aus Angst, die Kinder könnten das in der Schule ausplaudern. „Wie in der DDR.“ Eine jüngere Frau, Kleinkind auf dem Schoß, folgt den Ausführungen gebannt und klatscht dann heftig. Ansonsten besteht das Publikum zu 80 Prozent aus Männern, meist älteren. Höcke fordert, dass die Muslime, „ihren Gebetsteppich zusammenrollen und dorthin gehen sollen, wo der Muezzin ruft“. „Jawoll“, hört man jemanden rufen.

Alexander Gaulands Rede unterscheidet sich inhaltlich in Nichts von der des Thüringers. Abschiebungen aller abgelehnten Asylbewerber, Abschaffung des Asylrechts, Mittelmeerflüchtlinge zurück nach Libyen, das sind seine Forderungen. Deutschland dürfe nicht „der Fußabtreter der Welt“ werden, sagt Gauland und spricht von „Lumpenproletariat“, das da komme. Den größten Beifall bekommt er für den Satz, Multikulti sei „der Gehirnfurz linker Spinner“.

Der 76jährige einstige CDU-Politiker und Zeitungsherausgeber beschwört ebenfalls so etwas wie eine geheime Verabredung der Eliten gegen das Volk, eine „schleichende Landnahme“ und nennt Merkel als Verantwortliche. Auch wenn es derzeit nicht mehr so dramatische Bilder von den Flüchtlingsströmen gebe, gingen sie doch weiter. Schließlich macht sich der AfD-Spitzenkandidat über die Integrationsbeauftragte des Bundes, Aydan Özoguz (SPD), und ihren Namen lustig. Man solle sie „nach Anatolien entsorgen“, sagt er unter großem Beifall. „Ösebus, Bösebus“ reimen ein paar Männer in der sechsten Reihe und feixen. Özoguz ist gebürtige Hamburgerin.

Im Eichsfeld ist die von Höcke und Gauland beschriebene islamische Landnahme allerdings noch nicht so recht vorangeschritten. Lediglich 2,5 Prozent beträgt der Ausländeranteil, ein Prozent sind Flüchtlinge. Tendenz sinkend. Im Saal ist überhaupt nur eine ausländisch aussehende Frau auszumachen, eine Asiatin. Aber auch die ist keine Bedrohung. Sie schmiert zusammen mit zwei anderen AfD-Anhängerinnen vor Beginn Mett-Brötchen für die Männer.