Bundestagswahl 2017 Angela Merkel stellt sich den Fragen von YouTube-Stars

Wenn Deutschlands Youtube-Stars die Kanzlerin zum Interview treffen, dann kann man was erleben. Sollte man zumindest meinen. Ist auch so. Aber nicht das, was sich viele vielleicht erhofft hatten.

Foto: Wolfgang Kumm

Berlin. Angela Merkels Rat wirkt wie aus der anderen, der analogen Welt: „Rechnen. Schreiben. Lesen.“ Basta. Da guckt ihre Gesprächspartnerin Lisa, alias YouTuberin ItsColeslaw, doch ein bisschen verdattert. Denn das sind (offenbar immer noch) die drei Dinge, die laut Merkel Jugendliche unbedingt können müssen nach der Schule. „Und vielleicht auch noch Programmieren dazu“, schiebt die Kanzlerin rasch nach. So eben noch im Livestream die Kurve gekriegt zurück ins digitale Zeitalter…

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht mit YouTubern zusammen, nachdem sie in einem Livestream interviewt wurde. L-r.: Lisa Sophie, Mirko Drotschmann, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Ischtar Isik, Moderatorin Lisa Ruhfus und Alexander Böhm.

Foto: Wolfgang Kumm

Wenn Deutschlands Youtube-Stars wie am Mittwoch die Kanzlerin zum Interview treffen, dann kann man was erleben. Sollte man zumindest meinen. Ist auch so. Aber nicht das, was sich viele vielleicht erhofft hatten. Auf Mirko Drotschmann fiel die Wahl, der unter dem Namen MrWissen2go Allgemeines präsentiert. Ebenso auf die 22-jährige Lisa Sophie (ItsColeslaw), die sich mit Alltags-Geschichten beschäftigt. Und auf „Beauty, Fashion & Lifestyle“-YouTuberin Ischtar Isik sowie Alexander Böhm, der als AlexiBexi bei der Videoplattform Handy-Neuigkeiten erklärt. Alles in allem haben die vier rund drei Millionen Follower, von denen einige mit Politik wohl nichts am Hut haben.

Da liegt auch das Kalkül von Merkels Team. Über die YouTuber erreicht man im „Neuland“, wie Merkel sagen würde, junge Wähler, die man anders kaum ansprechen kann. Rund 56.000 Zuschauer folgen dem Livestream, im parallel dazu laufenden Livechat geben viele einen Kommentar ab. Darunter sind jede Menge üble Äußerungen. Merkel kennt das. Wie sie mit dem Hass umgehe, wird die CDU-Chefin von Erstwählerin Ischtar Isik gefragt. „Ehrlich gesagt, finde ich Hass und Zuspitzung auch immer als Zeichen von Unfähigkeit, die Argumente wirklich vorzubringen.“ Eine typische Merkel-Antwort. Wer geglaubt hat, eine andere Kanzlerin zu erleben, weil auch völlig andere Fragesteller als sonst ihr gegenüber sitzen, der wird enttäuscht. Merkel ist wie immer, sie antwortet wie immer. Den YouTubern gelingt es nicht, sie mit Unbefangenheit oder politischer Unkorrektheit zu knacken. Schon vor zwei Jahren, als Merkel sich erstmals einem solchen digitalen Star stellte, damals hieß er LeFloid, war das so. Er musste sich viel Kritik anhören.

Die Vier geben sich zumindest Mühe. Die soziale Ungerechtigkeit im Land, der Breitbandausbau, die Interessen der Jungen und die Beziehungen zur Türkei und zu Donald Trump sind die Hauptthemen. Brav wird alles abgearbeitet, wozu Merkel sich sonst auch äußert. Ihre wohl wichtigste Aussage fällt, als MrWissen2go ihr erzählt, dass seine Zuschauer immer wieder fragen würden, ob sie angesichts der Nordkorea-Krise Angst vor einem dritten Weltkrieg haben müssten. „Ich würde antworten: Nein“. Sie werde sehr stark deutlich machen, dass es keine militärische Lösung des Konfliktes gebe. „Dann werden sich das andere auch stark überlegen.“ MrWissen2go nickt beruhigt. Sicherheitshalber weicht Merkel aus, als der YouTuber wissen will, was ihr bei den Tweets von Donald Trump durch den Kopf gehe. Man kann es sich aber denken.

AlexiBexi, der sittsam mit der Kanzlerin die Probleme der Autoindustrie abarbeitet, möchte schließlich noch erfahren, ob Merkel ein Lieblings-Emoji habe. Die Kanzlerin grinst. „Smiley.“ Klar doch. „Wenn’s gut kommt, noch ein kleines Herzchen dran.“ Nach den Interviews müsste noch eins hinzukommen: Daumen hoch.