Nach der Wahlschlappe Die CDU muss sich neu aufstellen - aber wie?
Berlin · In der CDU langsam das große Stühlerücken. Den Anfang machen zwei langjährige Merkel-Vertraute aus dem Saarland.
Während SPD, FDP und Grüne über eine mögliche Regierungsbildung verhandeln, nimmt die Neuaufstellung der von ihrer Wahlschlappe gezeichneten CDU allmählich Fahrt auf. Welche Politiker und Ideen sich am Ende dabei durchsetzen werden, ist noch offen. Ob es dem glücklosen Kanzlerkandidaten Armin Laschet gelingen wird, sich wie geplant als Moderator des Veränderungsprozesses an die Spitze der Bewegung zu stellen, darf bezweifelt werden. Die junge Garde will mehr Mitsprache der Basis bei Personalentscheidungen. Die im Wahlkampf noch unterdrückte Debatte über eine mögliche Abkehr vom Kurs der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel wird jetzt nachgeholt.
Laschet sei nicht alleine für das Wahldesaster verantwortlich,
findet Christian von Stetten, der sich für CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidaten ausgesprochen hatte. Der „Bild am Sonntag“ sagt der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Fraktion: „Die Mitglieder des Präsidiums haben über Jahre die Programmatik der CDU verwässert und Armin Laschet in diese chancenlose Kanzlerkandidatur getrieben.“ Deshalb habe jetzt „nicht nur der Kanzlerkandidat,
sondern das gesamte Parteipräsidium ein Akzeptanzproblem und
muss seine Ämter zur Verfügung stellen“.
Die Union war bei der Bundestagswahl auf 24,1 Prozent abgestürzt, die SPD wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft. CDU-Chef Laschet hat angekündigt, er werde den Spitzengremien der Partei an diesem Montag einen Vorschlag zur personellen Neuaufstellung vorlegen. Er selbst wolle diesen Prozess moderieren. In der Bundespartei gehe es jetzt um „einen Konsens aller, die im Moment in Betracht kommen“.
Einen solchen Konsens zu finden - etwa mit den früheren Rivalen Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Jens Spahn und mit Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus -, das dürfte schwierig werden. Ohnehin regt sich Widerstand gegen dieses Verfahren, bei dem mögliche Aufsteiger aus der zweiten Reihe wohl außen vor bleiben würden.
In der Mittelstands- und Wirtschaftsunion gibt es Sympathien für eine Mitgliederbefragung vor der Neuwahl. Eine Gruppe junger CDU-Politiker um JU-Chef Tilman Kuban und den Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor fordert in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ ebenfalls eine Beteiligung der Basis. Die CDU müsse „raus aus der alten Denke“. Die Stärke der Partei liege in den über 400 000 Mitgliedern. „Sie müssen Ausgangs- und Bezugspunkt unseres Erneuerungsprozesses sein.“
Diejenigen in der CDU, die gegen eine Mitgliederbefragung sind, führen gerne die SPD als abschreckendes Beispiel an. Bei den Sozialdemokraten habe die Basis in einem langwierigen Prozess schließlich mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gleich zwei Politiker an die Parteispitze gewählt, denen man die Kanzlerkandidatur nicht zugetraut habe.
Er sei eigentlich auch kein Freund von Mitgliederentscheidungen, sagt der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries. Allerdings sei durch die letzten drei Personalentscheidungen - zum CDU-Vorsitz und zur Kanzlerkandidatur - „eine große Entfremdung zwischen Parteispitze und der Mitgliederbasis“ entstanden, die nun geheilt werden müsse. Notwendig dafür seien ein transparentes Verfahren und eine breite Beteiligung der Mitglieder. „Es ist jetzt nicht die Zeit für eine moderierte Kandidatenfindung im kleinen Kreis“, mahnt der Hamburger Bundestagsabgeordnete.
Neuen Schwung bekommt die Debatte um den von der CDU-Spitze beschworenen „Neuanfang“ am Samstag, als in Saarbrücken überraschend zwei amtierende Bundesminister aus den Reihen der CDU - Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier - bekanntgeben, dass sie Platz machen wollen für zwei Jüngere: Nadine Schön und Markus Uhl.
Für Uhl und Schön war die Wahlnacht ein Schock. Alle vier Direktmandate im Saarland gingen an die SPD. Über die Landesliste sicherten sich nur die beiden Minister das Ticket nach Berlin. Es sei wichtig, jetzt einen Generationswechsel herbeizuführen, betont Altmaier nun.
Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke findet allerdings, es sei bei allem Respekt vor dieser Entscheidung falsch, bei der Neuaufstellung allein auf das Alter zu schauen. Auf Twitter schreibt er, die Partei müsse für „einen mutigen Kurs der Mitte“ stehen. Und: „Mit jung u rechtsblinken ist kein Problem gelöst. Im Gegenteil“.
Altmaier und Kramp-Karrenbauer sind, ebenso wie Laschet, beide langjährige Weggefährten von Merkel, die für eben diesen Mitte-Kurs steht. Altmaier gehört dem Bundestag seit 1994 an und hatte schon mehrere Kabinettsposten inne, unter anderem war er mehrere Jahre Kanzleramtschef.
Kramp-Karrenbauer war Ministerpräsidentin des Saarlandes, bis sie Anfang 2018 auf Wunsch von Merkel als CDU-Generalsekretärin nach Berlin wechselte. Im Dezember 2018 wurde sie in einer Kampfabstimmung gegen den stärker wirtschaftsliberal und gesellschaftspolitisch eher konservativ positionierten früheren Fraktionschef Merz mit einem knappen Ergebnis zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Im Februar 2020 kündigte sie als Konsequenz aus der Regierungskrise in Thüringen ihren Rücktritt vom Parteivorsitz an.
Dass die unter dem Kürzel AKK bekannte Saarländerin und der betont fröhliche Altmaier jetzt zur Seite treten, ist vielleicht auch ein Indiz dafür, dass in der CDU kaum noch einer glaubt, dass sich die Ampel-Sondierer so zerstreiten werden, dass es am Ende doch noch auf ein Bündnis von Union, Grünen und FDP hinauslaufen könnte. Auch wenn manche in der CDU vermuten, CSU-Chef Markus Söder spekuliere insgeheim weiter auf diese Variante - mit ihm selbst im Kanzleramt.