Allergie — zu viel Hygiene schadet
Wer als Kind nicht im Dreck spielt, ist im Erwachsenenalter anfälliger.
Düsseldorf. Gibt es tatsächlich immer mehr Allergiker? Reagieren immer mehr Menschen auf immer mehr Stoffe? Die Beobachtung wird an vielen Stellen gemacht. Und es gibt auch plausible Gründe:
So war etwa gerade zu lesen, dass mehrere ungewöhnlich warme Frühlinge und Sommer dafür gesorgt haben, dass mehr Pollen in der Luft sind. Und damit auch zu mehr allergischen Reaktionen führen.
Ob dies mit einer globalen Erwärmung zu tun hat oder lediglich vorübergehende Wärmespitzen sind — die Pollenallergiker spüren, dass ihr Heuschnupfen heftiger wird. Oder auch, dass das Zeitfenster, in dem sie reagieren, größer wird. Dabei dauert es oft sehr lang, bis ein Heuschnupfen erkannt und die Ursache gefunden wird.
Denn viele Menschen glauben, Heuschnupfen gebe es nur im Frühjahr. Weit gefehlt: Ein Blick auf den Pollenflugkalender zeigt, dass Erle und Hasel (Foto: dpa) schon im Januar unterwegs sind. Und etwa die Brennnessel bis in den Oktober. Heuschnupfen kann also fast im ganzen Jahr auftreten. Und wird häufig mit einem normalen Schnupfen verwechselt.
Die Symptome für beide sind ähnlich: laufende Nase, tränende Augen, juckende Augenlieder. Wenn der Schnupfen aber allzu lange anhält, wenn die Augen dabei ungewöhnlich stark tränen, dann könnte es Heuschnupfen sein.
Aber Allergie ist mehr als Heuschnupfen: Allergien können die Schleimhäute in Mund und Nase betreffen, aber auch die Lunge, die Haut oder den Magen-Darm-Trakt. Sie können durch Pollen ausgelöst werden, aber auch durch Tierhaare, Milbenkot oder Nahrungsmittel.
Klarheit kann nur ein Test beim Arzt bringen, etwa ein Pricktest, bei dem die fraglichen Substanzen in einer Lösung auf die Innenseite des Unterarms getropft und dann mit einer Nadel einen Millimeter tief in die Haut gestochen werden. Wenn sich eine Rötung bildet, ist nicht nur klar, dass der Patient gegen diesen Stoff allergisch ist, sondern auch, wie schwer diese Allergie ist.
Kann man vorbeugen? Es gibt unzählige Studien zu dem Thema, aber deren Ergebnisse sind nicht völlig eindeutig. Klar scheint zu sein, dass Kinder, die mindestens vier Monate lang ausschließlich gestillt wurden, weniger unter Allergien leiden.
Klar scheint auch die so genannte Dreckhypothese zu sein: Wer in der Kindheit unter extrem sauberen Bedingungen aufwächst, bekommt später mehr Allergien — möglicherweise ist das Immunsystem in den prägenden ersten Lebensjahren schlicht unterfordert (stark vereinfacht).
Interessanterweise sind Allergien deutlich seltener in Ländern, in denen die Menschen verstärkt unter Parasiten leiden — Kinder, die Würmer im Darm haben, haben seltener Allergien. Natürlich ist die Konsequenz nicht, sich zu infizieren (obwohl das Menschen mit schwersten Allergien schon versucht haben). Aber es zeigt, dass zwanghafte Hygiene, vor allem im Kindesalter, mehr schadet als nutzt.
Bei Nahrungsmittelallergien lohnt ein zweiter Blick: In vielen Fällen geht es „nur“ um Unverträglichkeiten, wie etwa bei der Laktoseintoleranz. Hier fehlt schlicht ein Enzym, um den Zucker im Darm zu spalten. Oder auch nicht, denn es sieht so aus, als wäre diese Intoleranz in vielen Fällen nur eingebildet — die Symptome sind zwar da, werden aber nicht durch das fehlende Enzym, sondern durch die Erwartung der Symptome ausgelöst. Es lohnt sich, beim Arzt nachzufragen.