EHEC-Keim von Mensch auf Essen übertragen
Berlin/Wiesbaden (dpa) - Der gefährliche EHEC-Keim ist in Hessen tatsächlich von einer Catering-Mitarbeiterin auf Lebensmittel übergesprungen und hat so 20 weitere Menschen krank gemacht.
Seit Freitag liegen die Ergebnisse von Labortests vor und bestätigten bisherige Vermutungen, wie Sozial- und Verbraucherministerium in Wiesbaden mitteilten. Wie genau der Keim auf die Lebensmittel gelangte und ob es ein Hygieneproblem in dem Betrieb gibt, werde nun untersucht, sagte der Sprecher des Kreises Kassel, Harald Kühlborn. Möglich sei, dass ein infizierter Gebrauchsgegenstand des Betriebs eine Rolle spielte, sagte Kühlborn.
Auch in einem Bach in Frankfurt wurde unterdessen der aggressive EHEC-Erreger O104:H4 nachgewiesen. Der Erlenbach liegt wenige hundert Meter entfernt von dem Hof, bei dem jüngst der EHEC-Erreger auf Salatproben entdeckt wurde, wie ein Sprecher des hessischen Umweltministeriums sagte. Eine Verbindung des Baches zur Trinkwasserversorgung bestehe aber nicht. Zwei an das Gewässer angrenzende Höfe nutzen das Wasser jedoch für die Bewässerung von Kartoffeln, Zuckerrüben und Stärkekartoffeln. Das wurde den Höfen nun untersagt. Wie die Keime in den Bach gelangt sind, ist laut Ministerium noch unklar. Das Ergebnis der Proben soll in zwei bis drei Tagen vorliegen.
Die Mitarbeiterin des Partyservices war den Testergebnissen zufolge mit dem lebensbedrohlichen Keim infiziert, als sie Speisen für eine Feier in Niedersachsen zubereitete. Sie hatte aber noch keine Symptome. Den Erkenntnissen zufolge übertrug sie den Keim auf mehrere Lebensmittel. Später erkrankte sie an der durch EHEC verursachten Komplikation HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom). Nach der Feier erkrankten auch 20 von 65 Gästen. Bei HUS können unter anderem Nierenschäden und neurologische Störungen auftreten.
Der wegen EHEC-Sprossen gesperrte Biohof im niedersächsischen Bienenbüttel bleibt geschlossen. „Bevor wir ihn wieder freigeben, müssen alle Proben ausgewertet werden“, sagte ein Sprecher des Agrarministeriums in Hannover. Dies werde „mindestens einige Tage bis einige Wochen“ dauern. Noch ist unklar, wie der lebensbedrohliche Erreger auf die Sprossen des Biohofs gelangt ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät weiter vom Verzehr roher Sprossen ab, ebenso von selbstgezogenen rohen Sprossen und Keimlingen.
Dass der Erreger ausgerechnet auf einem Bio-Bauernhof gefunden wurde, bedeutet nach Ansicht von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) keinen Rückschlag für die Bio-Landwirtschaft. „Aber es war schon immer klar: Bio-Lebensmittel sind nicht per se gesünder oder sicherer“, sagte Aigner der „Berliner Zeitung“ (Freitag).
Bundesweit gehe die Zahl der Neuinfektionen seit geraumer Zeit zurück, sagte eine Sprecherin des Robert Koch-Instituts (RKI). Seit dem Ausbruch des aggressiven Darmkeims sind in Deutschland mindestens 38 Menschen gestorben, mehr als zwei Drittel davon in den nördlichen Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Laut RKI sind seit Anfang Mai bundesweit bisher 2610 EHEC-Fälle bekannt und 798 mit dem schweren HUS-Verlauf.
Russland erhob am Freitag schwere Vorwürfe: Die deutschen Behörden seien gescheitert beim Versuch, „die Quelle des hochansteckenden E.coli in der menschlichen Nahrungskette nachzuweisen“. Das teilte die staatliche Veterinäraufsicht nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau mit. Wegen des gefährlichen Darmkeims EHEC hatte Russland Anfang Juni ein Importverbot für Gemüse aus allen 27 EU-Staaten beschlossen. Die Veterinäraufsicht zeigte sich „ernsthaft besorgt“ und will deutsche Tierärzte zu Gesprächen über die Gründe für die Seuche nach Moskau bitten. Ein möglicher Termin für die Gespräche seien der 27. und 28. Juni in Moskau, hieß es.