"Karate Girl": Training in Okinawa

Haben Sie jemals den Film "Karate Kid" gesehen? Dieser Film hat mich vor Urzeiten zu dem Entschluss gebracht: Irgendwann will ich Karate lernen. Bis ich ihn umgesetzt habe, vergingen zwar etliche Jahre - aber immerhin seit sieben Jahren lerne ich nunmehr in Düsseldorf Karate, habe den schwarzen Gürtel.

Impressionen aus Naha: Trommler auf der Shoppingmeile Kokusai-Dori.

Foto: Juliane Kinast

Und das bringt mich zur nächsten Etappe meiner Reise, genau ein Jahr nach ihrem Beginn: Haben Sie vielleicht auch die Fortsetzung von "Karate Kid" gesehen? Wenn nicht: Lassen Sie es besser auch! Doll ist sie nicht. Aber sie trägt den Titel "Entscheidung in Okinawa". Und das nicht zufällig. Karate hat auf dieser kleinen japanischen Insel eine gewaltige Tradition, mein Stil - das Shorinryu - wurde hier vor Jahrhunderten erfunden. Deshalb wollte ich unbedingt hier üben. Eine Einmal-im-Leben-Chance, wie ich sie in diesem Jahr so oft gesucht und gefunden habe. Von Cowgirl zu "Kill Bill".

Impressionen aus Naha: die überdachte Einkaufsstraße Heiwadori.

Foto: Juliane Kinast

Natürlich will ich keine irre Kampfmaschine werden wie Uma Thurman in dem Tarantino-Streifen. Aber auch ich kann nicht einfach in ein Dojo (ein traditionelles Karatestudio) marschieren und loslegen, sondern brauche die Empfehlung und das Bohren meines Lehrers zu Hause, damit mich ein okinawanischer Meister als Schülerin akzeptiert. Allerdings muss ich keine Wassereimer eine endlose Treppe hinaufschleppen, der Meister ist auch kein grimmiger Weißbart.

Der Strand von Naha.

Foto: Juliane Kinast

Im Gegenteil. Als ich nach endlosen Verspätungen und einer langen Nacht mit Zwischenstopp in Hongkong endlich in Naha City auf Okinawa lande, sitzt da ein eher kleiner Mann Mitte 60 mit freundlichem Lächeln, einem selbstgebastelten Schild "Willkommen Juliane" und einer Videokamera, die jeden meiner ersten Schritte in Japan aufzeichnet. "Als Erinnerung für später", erklärt der Sensei - der mich rasch bittet, ihn mit Du und seinem Vornamen, Kaoru, anzusprechen.

Juliane Kinast beim Kauf eines Karate-Gi.

Foto: Juliane Kinast

Nachdem er mich zum Mittagessen eingeladen, mir mein Hostel und den Weg zu seinem kleinen privaten Dojo gezeigt hat, steckt Kaoru die Spielregeln für den kommenden Monat ab: Jeden Tag außer sonntags wird geübt, Montag, Mittwoch und Freitag zweimal; Dienstag, Donnerstag und Samstag nur einmal, dafür könne ich dann aber noch anderthalb bis zwei Stunden für mich allein weitermachen. Ich bin seit einem Jahr nicht mehr beim Training gewesen - von meinen Versuchen, nach einem langen Arbeitstag auf der Cattle Station oder im Melbourner Restaurant noch im Outbackstaub beziehungsweise in irgendeinem City-Park meine Techniken zu üben, mal abgesehen. Zudem ist es weit über 30 Grad warm und schwül. Ich bekomme eine erste Ahnung, wie es mir in ein paar Tagen gehen wird. Und Angst.

Die reisefreudige WZ-Redakteurin mit ihrem Lehrer Kaoru beim Kaffeetrinken in einem traditionellen Teehaus.

Foto: Juliane Kinast

Aber wenn mich Karate sowie meine Reise eines gelehrt haben, dann dass gerade Beängstigendes einen ganz schön voranbringen kann. Also kaufe ich mir einen original-japanischen Gi, einen weißen Karateanzug, und stehe an meinem ersten Morgen in Okinawa pünktlich und bereits aufgewärmt in Kaorus kleinem Dojo. Er lässt mich jede Kata vorführen, die ich beherrsche. Kata sind sozusagen Choreografien aus Schritten, Tritten, Faustschlägen, in denen die Techniken der Kampfkunst seit langer Zeit weitergegeben werden - ohne Nachschlagewerke und erst recht ohne Youtube.

Ab und zu korrigiert er, erklärt, welche praktische Anwendung hinter einer Technik steckt. Vor der letzten halben Stunde sagt er: "Und jetzt bisschen Spaß machen!" Dann zeigt er mir ein paar fiese Griffe, mit denen ich einen Angreifer im Ernstfall auf der Straße binnen Sekundenbruchteilen ausschalten könnte. Ohne Kraft. Kaoru bittet mich, zuzuschlagen - und im nächsten Moment liege ich auf dem Boden. "Dann fragen: Noch weiter kämpfen oder Frieden?", sagt Kaoru und lächelt. Ich bin schwer beeindruckt von dem 66-Jährigen.

Nach zwei Stunden bei dieser ersten Übung kann ich meinen Gi auswringen, so sehr habe ich geschwitzt. Ich schleppe mich zum Supermarkt um die Ecke und kippe einen Liter kaltes Wasser herunter. Ich kann es nicht erwarten, unter der Dusche zu stehen. Sechs Stunden Pause. Dann geht es weiter.