Alpenverein bei Olympia erneut auf Gratwanderung
München (dpa) - Sport und Naturschutz, das passt oft einfach nicht zusammen. Olympische Winterspiele sind kein umweltfreundliches Ereignis.
Der Deutsche Alpenverein (DAV) steht als weltgrößter Bergsteigerverband und zugleich einer der größten europäischen Naturschutzverbände bei der Olympiabewerbung 2022 einmal mehr vor einem Spagat. Die Bewerbung 2018 hatte er unterstützt und sich damit auch Kritik ausgesetzt. Umwelt oder Sport, Prinzipientreue oder Kommerz - immer wieder windet sich der DAV zwischen diesen Polen.
Als die Mitgliedsverbände des Olympischen Sportbundes (DOSB) das Konzept mit nun vier Wettkampforten Ende September absegneten, enthielt sich der DAV als einziger. Er will das heiße Eisen auf seiner Hauptversammlung am 8. und 9. November in Ulm behandeln.
Alle anderen haben sich längst bekannt: Bayerischer Städtetag und Staatsregierung stehen voll hinter der Bewerbung. Die Spiele seien ein Aushängeschild für Bayern und brächten einen Schub für den Standort. Grüne und Umweltschützer sind strikt dagegen. Sie beklagen Eingriffe in die Natur und hohe Kosten. Das Geld nütze im Breitensport mehr.
Auch die Alpenvereins-Jugend (JDAV) zeigte Flagge - und sagte klar Nein. „JDAV ist der Meinung, dass der DAV seiner Aufgabe und seinem Selbstverständnis als Naturschutzverband nur mit einer Ablehnung dieses Großereignisses in den Bayrischen Alpen gerecht werden kann“, beschloss die JDAV - auch ein Appell. Ein Nein des eine Million Mitglieder starken DAV könnte die Bewerbung schwächen oder gefährden.
Dass die lange geplante Hauptversammlung auf den Vorabend der Bürgerentscheide am 10. November in München, Garmisch-Partenkirchen und den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden fällt, sei Zufall, sagt DAV-Sprecherin Andrea Händel. „Es ist natürlich ein zeitlich ungünstiger Termin.“ Mehrere der rund 350 Sektionen wollten, dass das höchste Gremium über Olympia entscheide. „Es ist der Wunsch der Mitglieder, in eine so weit reichende Entscheidung mit eingebunden zu werden.“ Davor gebe es voraussichtlich keine Stellungnahme von Präsident Josef Klenner, „auch weil er der Meinungsbildung nicht vorgreifen möchte“. Auch andere Funktionäre schweigen.
Die Olympia-Bewerbung 2018 hatte der Verband - unter Forderung von zusätzlichen Umweltmaßnahmen - unterstützt. Ein zentraler Kritikpunkt von DAV und Umweltverbänden war damals, dass Ruhpolding und die dort vorhandenen Anlagen nicht genutzt werden sollten. Nun ist Ruhpolding dabei - es gibt damit weniger Gründe, die Bewerbung abzulehnen.
Olympia 2018 hatte den DAV vor eine Zerreißprobe gestellt. Der damalige Präsident Heinz Röhle schied bei der Hauptversammlung 2010 abrupt aus dem Amt. Gerade bei Olympia prallten die Gegensätze aufeinander. Röhle sah sich als „Olympiaopfer“. Nach seiner Ansicht hätte der DAV aus der Bewerbungsgesellschaft ausscheiden müssen, da seine Naturschutzbedingungen unzureichend erfüllt wurden. „Wenn man sich damals positiv dafür ausgesprochen hat, kann es aus meiner Sicht jetzt gar keine Gründe dagegen mehr geben“, sagt Röhle. „Man drückt sich davor, die Meinungsführerschaft zu übernehmen, die erwartet wird.“
Nachfolger Klenner hatte angekündigt, den Umweltschutz zu stärken. Natürlich setzt sich der DAV für die Natur ein. Aber steigende Mitgliederzahlen bringen auch Lobby-Pflichten. Altgediente Mitglieder schimpften bereits über den „ADAC der Berge“. Sie beklagen das Fehlen einer klaren Linie, ein Verwischen von Werten und Kommerzialisierung.
Beispiel Mount Everest: Stets hat der DAV den Massenansturm und die ökologischen Folgen am höchsten Berg der Welt kritisiert. Jetzt bietet die kommerzielle Tochter Summit Club selbst eine Expedition dorthin an. Beispiel Klettersteige: Naturschützer und Kletterer lehnen die Stahlbauten ab, Gemeinden sehen eine Zusatzattraktion - die auch viele DAV-Mitglieder gern annehmen. Hier wie auch bei den Schneekanonen ist der DAV von seiner Ablehnung abgerückt. Besser sei es mitzugestalten - das war auch das Argument bei Olympia 2018.