Bis ins Weltall: „Rekord-Fackellauf“ zu Ende
Sotschi (dpa) - Länger, höher, tiefer: Mit einem Fackellauf der Superlative hat Russland in den vergangenen 123 Tagen die Olympischen Winterspiele eingeläutet.
Im All, am Nordpol und auf Bergen, durch neun Zeitzonen, von der Ostsee zum Pazifik, war das Feuer im Gastgeberland unterwegs. „Wahrhaft einzigartig“ sei der Fackellauf durch den größten Flächenstaat der Erde, sagte Kremlchef Wladimir Putin. Die Stafette zeige der Welt, „was Russland zu bieten hat“. Dafür wurden 15 000 Fackeln hergestellt - Stückpreis rund 300 Euro.
Nach insgesamt 65 000 Kilometern kommt das Feuer an diesem Freitag endlich im Fischt-Stadion von Sotschi zur Eröffnungsfeier an. Am Donnerstag stimmten sich sogar UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und IOC-Präsident Thomas Bach als Fackelläufer auf die feierliche Zeremonie ein - nur einer von vielen Höhepunkten der Stafette. Aber wer darf das olympische Feuer entzünden, mit einer Fackel, die bereits im All schwebte? Die sowjetische Eiskunstlauf-Legende Irina Rodnina wird als Favoritin gehandelt.
Begonnen hatte der Lauf am 7. Oktober mit einem Flop - ausgerechnet am 61. Geburtstag von Putin, als dessen Prestigeprojekt die Wettkämpfe an der Schwarzmeerküste gelten. Nach einer Olympia-Gala mit Putin auf dem Roten Platz lief Weltklasse-Schwimmer Schawarsch Karapetjan mit der brennenden Fackel los, aber der gebürtige Armenier kam nicht weit. Noch auf dem benachbarten Kreml-Areal erlosch das „Original-Feuer“ aus der griechischen Stadt Olympia.
Mit seinem Privatfeuerzeug zündete ein Sicherheitsbeamter die Fackel kurzerhand wieder an. „Da war sonst keiner“, sagte Karapetjan später. „Für solche Fälle haben wir eigentlich Reservefackeln“, meinte Sotschi-Organisationschef Dmitri Tschernyschenko. Die Transportfahrzeuge hätten aber nicht im Kreml parken dürfen. Gleich am nächsten Morgen, noch in Moskau, ging das Feuer erneut aus. Allerdings gab es auch bei früheren Stafetten ähnliche Pannen.
Scheinbar nichts ließ Russland aus: Die rund einen Meter hohe Olympia-Fackel aus Silbermetallic und Rot reiste in der Transsibirischen Eisenbahn, wurde von einem Kamel transportiert, und auch die 75-jährige Galina Konewa, Mitglied der Oma-Band Buranowskije Babuschki vom Eurovision Song Contest 2012, durfte sie halten. Rund 14 000 Läufer trugen die 1,5 Kilogramm schwere Fackel aus Aluminium, die eine Feder des Feuervogels aus russischen Märchen symbolisiert.
Sogar bis zu den Sternen ließ Russland das Olympia-Symbol fliegen. Mit einer Sojus-Rakete, die die Raumfahrtbehörde Roskosmos eigens mit dem Sotschi-Logo beklebte, hob die Fackel im November vom Weltraumbahnhof Baikonur ab. Wenige Tage später stiegen erstmals in der Geschichte zwei Kosmonauten mit ihr ins All aus. Dass die Fackel nicht brannte, war diesmal beabsichtigt - es wäre gefährlich und technisch aufwendig gewesen. Etwa 400 Kilometer über Sotschi machten Fjodor Jurtschichin und Michail Tjurin ein Foto für die Ewigkeit.
„Es wirkt fast so, als würde Raumfahrt jetzt olympische Disziplin“, schwärmte der für die Winterspiele verantwortliche Vizeregierungschef Dmitri Kosak. Kritiker beklagten aber die Kosten. „Die Inszenierung passt zu Russland, das von seinen Mythen lebt und sich gerne modern gibt“, kommentierte die Zeitung „Kommersant“.
Doch Kosten scheute der Kreml auch nicht, als die Fackel auf dem Atomeisbrecher „50 Jahre Sieg“ zum Nordpol und von Tauchern in die Tiefen des Baikalsees in Sibirien gebracht wurde. Olympia-Gegner vermissen die „Seele“ bei dem Spektakel. Befürworter wie Wladimir Geskin von der russischen Zeitung „Sport Express“ sehen es hingegen gelassen. „Das ist Werbung für den Sport. Und für den Sport ist jede Werbung gut“, sagt Geskin. Er war selbst einer der Fackelträger.