DOSB-Präsident: "Olympia in die Köpfe und Herzen bringen"
Berlin oder Hamburg? DOSB-Präsident Alfons Hörmann glaubt daran, dass eine deutsche Bewerbung gute Chancen haben wird.
Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass 2024 Olympische Sommerspiele in Deutschland stattfinden?
Alfons Hörmann: Wir sind fest davon überzeugt, dass Deutschland als Bewerber sehr ernst genommen wird. Das habe ich auf dem IOC-Kongress in Monaco vor und hinter den Kulissen immer wieder gehört.
Was stimmt Sie optimistisch?
Hörmann: Wenn man sich vor Augen führt, dass die Winterspiele 2022 nach Peking oder Almaty gehen und Olympia dann dreimal in Asien war, dürfte die Sehnsucht der olympischen Familie groß sein, wieder mal einen Kontrast zu haben. Wir sehen für Deutschland gute Chancen für 2024. Oder, wenn es im ersten Anlauf nicht klappt, für 2028.
Ist nicht das größere Problem, die Sehnsucht der Deutschen nach Olympia zu wecken?
Hörmann: Es gibt eine generell erfreuliche Grundstimmung für Olympia. Wir haben zahlreiche Umfragen vorliegen, die Olympische Spiele in Deutschland grundsätzlich befürworten. Schwieriger wird es, wenn man in die konkrete Region geht. Die alles entscheidende Frage ist, wie sich das Stimmungsbild in Hamburg und Berlin entwickelt. Wir haben in München schmerzvoll erlebt, wenn das nicht funktioniert. Wir müssen die nächsten Wochen und Monate intensiv nutzen und im März hoffentlich die richtige Stadt auswählen.
Was wäre Ihre Präferenz?
Hörmann: Wenn wir nicht beiden zutrauen würden, dass sie auf internationaler Ebene erfolgreich sein können, hätten wir nicht zwei nominiert. Es gilt jetzt abzuwägen und über die Befragungen herauszufinden, wo wir das bessere Olympia-Klima vorfinden. Letzteres wird eine sehr bedeutende Rolle spielen.
Wie gehen die beiden Kandidaten mit der Situation um?
Hörmann: Durchaus unterschiedlich. In Hamburg beispielsweise hat sich eine interessante Initiative gegründet unter der Koordination von Alexander Otto, der auch in finanzielle Vorleistung gegangen ist, um das Projekt zu unterstützen. Die Handelskammer hat innerhalb kürzester Zeit 25 Millionen Euro, und damit rund 50 Prozent der denkbaren Bewerbungskosten, zugesagt. Da wird richtig Gas gegeben, weil zumindest die Wirtschaft erkennt, dass das eine Riesenchance ist. Aber auch in Berlin gibt es entsprechende Initiativen. Beide Städte sind damit viel weiter, als das in München vor eineinhalb Jahren der Fall war. Als Außenstehender könnte man sagen: Berlin hängt finanziell am Tropf und will trotzdem Olympia machen.
Ist da Hamburg nicht klar im Vorteil?
Hörmann: Berlin hat andere Vorteile. Es ist die Hauptstadt und hat beispielsweise schon ein Olympiastadion. Das alles muss man sauber abwägen. Die entscheidende Frage bleibt aber, wie man es in die Köpfe und Herzen der Menschen vor Ort bringt, dass Olympische Spiele der nächste große Schritt in die Zukunft sein können; für die Stadt und für ganz Deutschland. Das IOC hat seine Agenda 2020 verabschiedet, die Olympia bescheidener machen soll.
Haben Sie den Eindruck, dass dadurch ein Umdenken begonnen hat, was die Vergabe angeht?
Hörmann: Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Die nächste Entscheidung ist, die Winterspiele 2022 nach Almaty oder Peking zu vergeben. Dass damit der ein oder andere im IOC nicht besonders glücklich ist, ist nachvollziehbar. Der Druck auf das IOC steigt, dass die Vergabe für 2024 eine sein wird, die sitzt.
Welche Rolle spielt es, dass Deutschland 2024 mit hoher Wahrscheinlichkeit Gastgeber der Fußball-EM wird?
Hörmann: Das tangiert unsere Bewerbung nicht, weder von der vertraglichen Seite noch von den Regularien. Eine Woche vor und eine Woche nach den Olympischen Spielen darf keine andere Großveranstaltung sein. Geschätzte 70 Prozent der IOC-Mitglieder wissen nicht, wo die nächste Fußball-EM stattfindet. Das läuft bei vielen unter der Wahrnehmung, denn sie sind für Olympia zuständig. Es ist weltweit auch nicht jeder so fußballorientiert wie wir.
Wie zufrieden sind Sie mit der finanziellen Ausstattung des deutschen Sports durch die öffentliche Hand?
Hörmann: Im Durchschnitt haben wir eine vernünftige, aber nicht für den Höchstleistungssport ausreichende Ausstattung. Es liegt deshalb auch an uns, unsere Hausaufgaben noch konsequenter umzusetzen. Wenn wir mehr Geld wollen, müssen wir das mit gutem Gewissen erklären und nachweisen.
Wie viel Prozent Ihrer Verbände haben ein Strukturproblem?
Hörmann: Es sind mehr, als mir lieb ist. Die Basis im klassischen Vereinssport ist vorbildlich. Schwierig wird es ab der Ebene, wo es um die Talentsichtung und -förderung geht. Da haben wir verschiedene Stützpunktkonzepte, die nicht so synchronisiert sind, dass man sagen könnte, wir haben ein stimmiges Leistungssportkonzept. Ein Drittel der Verbände managt diesen Bereich gut, ein Drittel hat eine Balance aus Stärken und Schwächen, ein Drittel ist in einem besorgniserregenden Bereich.
Ist der deutsche Sport nur noch Mittelmaß?
Hörmann: Insgesamt sind wir tendenziell auf dem Weg zu weniger Erfolg — Sommer wie Winter. Und damit nähern wir uns dem Mittelmaß. Wir sind nicht mehr absolute Spitze und meine Wahrnehmung ist, dass wir relativ schnell den Anschluss an die Spitze verlieren. Und mit Spitze meine ich, zu den ersten Fünf im Medaillenspiegel der Olympischen und Paralympischen Spiele oder den Top-Nationen bei Weltmeisterschaften zu gehören.