Für Menschenrechtler keine gute Wahl: Almaty oder Peking
Kuala Lumpur (dpa) - Menschenrechtler sehen das Duell der Ausrichterstädte für die Olympischen Winterspiele 2022 als ein Rennen Teufel gegen Beelzebub.
„Das IOC hat eine Wahl zwischen schlecht und schlecht“, sagte Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur vor der Entscheidung am 31. Juli. In Kuala Lumpur wird dann der Ausrichter - Peking oder Almaty - auf dem Kongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gekürt. „Keines der beiden Länder ist so fit, das es Olympische Spiele verdient“, betonte Michalski: „Das IOC hat sich eine eigene Falle gebaut, weil es in letzter Zeit auf autoritäre Regime gesetzt hat.“
Für die XXIV. Winterspiele in sieben Jahren hatte es ursprünglich neun Interessenten gegeben. Barcelona, Krakau, Lwiw (Lemberg), St. Moritz, Stockholm, Oslo und München hatten ihre Pläne jedoch aufgegeben. In der bayerischen Landeshauptstadt scheiterte die Kandidatur wie auch bei der Mehrheit der anderen am Widerstand der Bevölkerung.
„Es hätte ganz anders laufen können, und am 31. Juli wäre München vielleicht zur Olympia-Stadt gekürt worden“, sagte Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei der Antikorruptionsorganisation Transparency International, der dpa. Die demokratischen Staaten könnten sich jetzt aber nicht beschweren, dass nur noch Almaty und Peking zur Auswahl stehen. „Da müssen sie sich auch an die eigene Nase fassen und sich fragen, was haben sie falsch gemacht beim Werben um die Zustimmung der eigenen Bevölkerungen“, meinte die Juristin.
„In Kasachstan und in China gibt es erhebliche Menschenrechts- und Korruptionsprobleme“, sagte Schenk. Das Reich der Mitte, schon 2008 im Sommer mit Peking Gastgeber der Spiele, steht auf dem Transparency-Korruptionsindex mit 40 Punkten auf Platz 80. Kasachstan ist mit 26 Punkten auf Rang 140. Zum Vergleich: Dänemark ist auf der Liste mit 92 Punkten das Land mit der höchsten Wahrnehmung von Korruption. Deutschland ist Zwölfter.
Trotz des hinteren Platzes von Kasachstan in der rund 180 Länder umfassenden Tabelle wären Schenk Winterspiele in diesem mit strenger Hand von Präsident Nursultan Nasarbajew geführten zentralasiatischen Staat etwas lieber. „Mit Kasachstan ist die Hoffnung verbunden, etwas in die richtige Richtung zu bewegen. Das kann man sich bei einem Land von der Größe und einer Gesamtsituation wie der in China nicht vorstellen“, sagte die Ex-Leichtathletin. Viel liberaler sei es seit den Spielen vor sieben Jahren in punkto Pressefreiheit und Menschenrechten nicht geworden: „Da haben wir eher einen Rückschlag.“
Auch Kasachstan ist nach Ansicht Michalskis aber weit von demokratischen Werten entfernt. „Zum Beispiel ist die Situation der Homosexuellen in Kasachstan bejammernswert. Das Gleiche gilt für die Presse- und Versammlungsfreiheit von Arbeitnehmern“, sagte er. „Wir haben dem IOC immer gesagt, es soll die eigenen Werte nicht verraten.“
Der stellvertretende Vorsitzende des kasachischen Bewerbungskomitees sieht dagegen sein Land auf dem rechten Weg. „Wir haben kein Gesetz, das die Menschenrechte einschränkt“, sagte Andrej Krjukow am Mittwoch in Kuala Lumpur. Vor 20 Jahren habe alles anders ausgesehen, doch auch bei den Menschenrechten habe sich einiges verbessert. „Wir wollen ein Mitglied der modernen Welt werden“, versicherte er.
Human Rights Watch erwarte von Sportveranstaltern nicht, sich aktiv für die Menschenrechte einzusetzen. „Wir verlangen aber, dass innerhalb ihres Wirkungskreises die Menschenrechte durch ihr Tun nicht leiden“, so Michalski. Dies gelte für die Rechte der Arbeiter, die Fußballstadien für die WM 2022 in Katar oder Sportstätten für Sommer- und Winterspiele bauen, oder für Umweltschützer. „Da verlangen wir, dass das IOC dagegen öffentlich protestiert. Das macht es nicht“, sagte er. „Keine Sportveranstaltung hat dafür gesorgt, dass die Menschenrechte sich in einem Land verbessert haben.“
Ob sich mit den Reformen der Agenda 2020 des IOC etwas verändert? „Ich kann nicht sagen, ob es hundertprozentig der richtige Weg ist. Es ist nur eine Sammlung von Empfehlungen“, meinte Schenk. „Die Menschenrechtsfrage anzusprechen und im Ausrichtervertrag in Klauseln zu gießen, ist der richtige Weg. Alle Sportorganisationen haben eine Verantwortung für die Menschen.“