Goldrausch-Kater? - Briten reden über Sportförderung
London (dpa) - Weit über 20 Olympiasiege, eine kaum für möglich gehaltene Stimmung bei den Zuschauern und Lob aus aller Welt: Großbritannien ist kurz vor dem Ende der Sommerspiele von London im olympischen Goldrausch - und die Angst vor dem Kater wächst.
Täglich werden die Stimmen lauter, die eine nachhaltige Sportpolitik fordern. „Nicht nachlassen“, lautet die Maßgabe. Zu präsent ist der Blick in die einstige Kolonie Australien. In Sydney wurden im Jahr 2000 begeisternde Spiele gefeiert, danach fiel der australische Sport in ein Loch und lag am Donnerstag nur auf Rang zehn des Medaillenspiegels.
Olympia-Organisationschef Sebastian Coe hat zum Ende der Spiele von London die britische Politik angemahnt, den Erfolg von London in eine nachhaltige Sportpolitik münden zu lassen. „Der rote Teppich ist ausgerollt“, sagte Coe angesichts der großen Erfolge britischer Olympioniken mit bisher 22 Goldmedaillen nach 221 der 302 Entscheidungen. „Das Zeitfenster ist aber begrenzt“, warnte Coe. Er sprach sich dafür aus, die sportliche Frühförderung von Schulkindern zu verstärken. „Wir könnten etwas mehr in den Grundschulen tun“, sagte der zweimalige Olympiasieger über 1500 Meter.
Die britische Sportförderung konzentriert sich derzeit vor allem auf die Spitzenathleten, die für die jeweils nächsten Olympischen Spiele vorbereitet werden. In den vergangenen vier Jahren wurden 400 Millionen Euro, vor allem aus Lotto-Geldern, in den Spitzensport investiert. Die Briten konnten sich zudem im Gegensatz zu anderen Nationen fast ausschließlich auf den Sommer konzentrieren - der Wintersport spielt auf der Insel praktisch keine Rolle. Anders als etwa in Deutschland gibt es auch kaum eine Vernetzung in den Breiten- oder Schulsport.
So können viele Athleten als Vollzeitsportler trainieren, gecoacht von einigen der besten - und teilweise auch am besten bezahlten - Trainer der Welt. Sportlicher Erfolg auf der Insel ist kein Zufall. Rührende Geschichten wie die von der Medaillen-Boxerin Nicola Adams, die sich das Geld für ihre Sportler-Karriere als Arbeiterin auf dem Bau und als Schauspielerin in der Serie „Eastenders“ verdienen musste, gehören zur absoluten Ausnahme.
Die Briten pumpten seit Mitte der 1990er Jahre Milliardensummen in den Aufbau von Spitzensport. Der damalige Premierminister John Major wollte die Schmach von Atlanta 1996, als Großbritannien nur einen einzigen Olympiasieg feiern konnte, vergessen machen. Ein ausgeklügeltes, zukunftsgerichtetes System musste her. In Majors Gefolge war damals schon ein junger Parlamentsabgeordneter namens Sebastian Coe. Heute lobt der Olympia-Organisator Coe die Errungenschaften aus der Major-Zeit über den grünen Klee. „Wir haben damals die Umstellung auf die Förderung aus Lotterie-Geldern geschafft. Das macht die Sportförderung besser und vorhersehbarer“, sagte er.
Ein Drittel der Sportförderung von zuletzt 100 Millionen Pfund (rund 125 Millionen Euro) pro Jahr kommt aber auch in Großbritannien vom Staat. Der nächste Kassensturz steht im Jahr 2014 an. Großbritannien ist hoch verschuldet, seiner Wirtschaft geht es schlecht. Zentralbankchef Mervyn King sagte erst am Mittwoch ein Nullwachstum für 2012 und „weitere schwere Jahre“ mit nur langsamer Erholung voraus. Skeptiker befürchten, dass hohe Ausgaben für die Olympia-Vorbereitung vor London 2012 zwar gerade noch geduldet wurden, vor Rio 2016 aber nicht mehr durchsetzbar sein werden.
Olympia-Staatssekretär Hugh Robertson fühlte sich bereits bemüßigt, seine „vollste Unterstützung“ für die britische Sportförderung zu bekunden. „Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch harte Entscheidungen getroffen werden müssen“, fügte Robertson in der „Times“ vielsagend hinzu. Und für Schulkinder,