Hamburg will Olympia - wenn die Bevölkerung mitmacht
Hamburg (dpa) - Ginge es allein nach dem Hamburger Sport, wäre die Sache schon gelaufen. Längst haben Bedenken ob einer Olympia-Bewerbung der Hansestadt um die Spiele 2024 oder 2028 Begeisterung Platz gemacht.
Vergessen die Niederlage Hamburgs im Jahr 2002 gegen Leipzig, vergessen das durchaus als Warnung zu verstehende Nein der Bevölkerung zu Olympischen Winterspielen in München. „Das Tor zur Welt begrüßt die Jugend der Welt“, heißt es in der Resolution des Hamburger Sportbundes (HSB). Dessen Präsidium hält Sommerspiele gar für ein „Mega-Event mit größter Strahlkraft für den (...) Sport, aber auch für die Gesellschaft, Wirtschaft und Stadtentwicklung“.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sieht das grundsätzlich genauso - hält sich mit Forderungen aber auffällig zurück. Stattdessen ließ er den 13-Fragen-Katalog des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) akribisch beantworten - dabei sind ohne Anlagen 46 Seiten zusammengekommen. Bis zum 31. August müssen die Ausführungen beim DOSB vorliegen.
Natürlich will Hamburg sich gegen Berlin durchsetzen, wenn der DOSB spätestens am 6. Dezember entscheidet, ob und mit welcher Stadt sich Deutschland für die Spiele 2024 oder 2028 bewirbt. Die Hamburgische Bürgerschaft hat Scholz bereits aufgetragen, bis zum Herbst eine „ergebnisoffene Studie“ zu Chancen und Risiken Olympischer Spiele vorzulegen - als Basis für ein verbindliches Referendum zu dem Sportgroßereignis im kommenden Jahr.
Jüngste Umfragen weisen auf eine steigende Begeisterung der Hanseaten für Olympische Spiele hin - inzwischen sind 73 Prozent dafür. Auf der anderen Seite bestehen aber nach wie vor teils massive Bedenken etwa bei den Themen Kosten, Sicherheit, Verkehr oder Stadtentwicklung. Sportsenator Michael Neumann (SPD) hat zudem bereits mehrfach betont, Hamburg werde sich für Olympia keinesfalls verschulden. „Die in der Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse gilt auch hier.“
Kritiker wollen das nicht so recht glauben. (N)Olympia-Hamburg weist darauf hin, dass die London-Spiele 2012, auf die sich Neumann gerne beruft, mit rund 11,3 Milliarden Euro zu Buche geschlagen hätten. Veranschlagt bei der Vergabe seien 3,06 Milliarden Euro gewesen. Die Handelskammer geht in Hamburg von deutlich niedrigeren Kosten aus. So rechnet deren Syndikus Reinhard Wolf vor: Die Spiele selbst, „von der Eröffnungszeremonie bis zur Schlussfeier der Paralympics“, dürften wie in London mit rund drei Milliarden Euro zu Buche schlagen.
Die Kosten für eine Verbesserung der Infrastruktur will Wolf nicht Olympia zurechnen, denn die müssten sowieso gestemmt werden. Bleiben die Sportanlagen. „Von 41 erforderlichen Sportstätten haben wir bereits 35“, sagt Sportsenator Neumann. Neu gebaut werden müssten etwa ein Olympiastadion, eine Halle mit rund 25 000 Plätzen und eine Schwimmarena. Handelskammer-Syndikus Wolf rechnet dafür insgesamt mit ein bis zwei Milliarden Euro. Eine Summe, die nach seinen Vorstellungen durch den Bund oder Lotto-Spielreihen deutlich reduzieren werden soll. Außerdem könnte Hamburg sie über zehn Jahre strecken - und damit trotz Schuldenbremse finanzieren.
Neben den Kosten treibt die Hamburger die Frage der Nachhaltigkeit um. Ungenutzte und vor sich hinrottende Stadien wie etwa in Südafrika und Brasilien nach der Fußball-WM kommen auch für Scholz nicht infrage. So könnte das Olympiastadion von 70 000 auf rund 25 000 Plätze zurückgebaut und durch Büros ergänzt werden, über deren Miete dann der Unterhalt bezahlt werden soll. Außerdem gibt es Ideen, die Olympia-Halle anschließend in ein Kreuzfahrtterminal umzurüsten.
Das Ringe-Spektakel soll - neben Wettkämpfen in Nachbarbundesländern - vor allem auf dem Kleinen Grasbrook ausgetragen werden, einer Elbinsel inmitten der Stadt. Sicherheitsexperten halten das für ideal und Befürchtungen, die ganze City werde während Olympia zu einem Hochsicherheitstrakt, für unbegründet. Wolf erinnert zudem an das Grundgesetz. Anders als in England, wo teils martialisch anmutende Soldaten die London-Spiele überwachten, ist in Deutschland der Einsatz von Truppen im Inneren verboten.
Dennoch: Ein Problem bleibt ungelöst- nämlich die zweite Bedingung Hamburgs für Olympischer Spiele: eine Reform des in der Vergangenheit immer wieder des Gigantismus bezichtigten IOC. Auf der außerordentlichen Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees am 8. und 9. Dezember in Monte Carlo sollen die Reformpläne der Ringe-Organisation veraschiedet werden. HSV-Aufsichtsrat Bernd Bönte hat bereits klare Worte gefunden: „Zumindest (...) muss man den Menschen die Angst vor dem Moloch IOC nehmen, davor, dass Sponsoren über der Stadt kreisen wie die Aasgeier.“