IOC-Präsident Bach: Olympische Spiele weiter begehrt

Berlin (dpa) - IOC-Präsident Thomas Bach ging von der Selbstverteidigung sofort in den Gegenangriff.

Nach dem klaren Bürgervotum gegen Winterspiele 2022 in München wies Bach den Vorwurf der Knebelverträge mit Olympia-Gastgebern zurück, rechnete mit den Gegnern ab und forderte Deutschland auf, sich wieder um das Ringe-Spektakel zu bewerben.

„Deutschland ist mit seiner Sportbegeisterung und seiner wirtschaftlichen Potenz immer in der Lage, Spiele auszurichten“, sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in einem Interview der „Bild“-Zeitung. „Es macht mir Hoffnung, dass über Sommerspiele, z.B. in Berlin zumindest wieder diskutiert wird.“

Die negativen Bürgerbescheide vom Sonntag wurmten ihn immer noch. „Ich bin eher enttäuscht und besorgt, dass es in unserem Land möglicherweise in weiten Teilen eine gewisse Mutlosigkeit gibt, wichtige Zukunftsprojekte konsequent anzugehen. Dies ist beim Bau von Flughäfen, Straßen und Bahnhöfen teilweise zu beobachten“, sagte der 59 Jahre alte Jurist. „Durch den Fall München gehört jetzt auch die Durchführung von Olympischen Spielen dazu.“ Es könne sein, dass Deutschland in einigen Jahren feststellen müsse, „dass wir eine gute Situation nicht ausgenutzt haben, in die Zukunft zu investieren“.

Den Olympia-Kritikern, die sich mit ihren Bedenken bei den Bürgerentscheiden in München, Garmisch-Partenkirchen und den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden deutlich durchsetzten, warf er indirekt Irreführung der Bevölkerung vor: „Die Nein-Sager haben die Vorteile einer Bewerbung leider verschwiegen.“ München habe sogar den Vorteil genossen, „dass Sportstätten und Infrastruktur im Großen und Ganzen vorhanden sind“. München wäre ein „guter Kandidat“ gewesen, so Bach.

Die teils harsche Kritik an den IOC-Knebelverträgen, die auch Münchens Oberbürgermeister vor Jahren als „Zumutung“ bezeichnet hatte, konterte Bach mit einem Hinweis auf das Finanzierungsmodell der Spiele. „Das IOC arbeitet hier mit einer fairen Risikoverteilung. So hätte München bei einem Wahlsieg eine Zahlung des IOC in Höhe von ca. 700 Millionen US-Dollar und weitere Erlöse aus Vermarktung und Ticketing erwarten können“, stellte Bach klar und führte die nächsten Winterspiele in Sotschi (7. bis 23. Februar 2014) als Beispiel an: „In Sotschi sind das ca. 1,5 Milliarden Dollar. Damit erzielen Organisationskomitees regelmäßig operative Gewinne. Und der Imagegewinn einer Olympiastadt ist finanziell gar nicht zu bemessen.“

Bayerns Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann bewertete Bachs Äußerungen als „gnadenlose Selbstüberschätzung des IOC“. Die Bürgerentscheidung gegen Olympia 2022 „hat unmittelbar mit dem IOC und dessen in Teilen sittenwidriger Vertragsgestaltung zu tun - und überhaupt nichts mit Mutlosigkeit“. Der Anti-Olympia-Kämpfer fühlte sich durch die negativen Abstimmungsergebnisse in seiner Argumentation bestätigt. „Wenn die Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, sie brauchen einen Tunnel, eine Bahnlinie oder eine Ortsumgehung, dann werden sie das jeweilige Projekt auch unterstützen“, sagte Hartmann. „Sie erhalten dann etwas Bleibendes - und kein olympisches Strohfeuer, in dessen Glanz sich vor allem auch Funktionäre wie Bach sonnen wollen.“

Nach der geplatzten Münchner Kandidatur kommt es nun zu einem Sechskampf um die Winterspiele 2022. Der norwegische Favorit Oslo, 1952 bereits Ausrichter der Olympischen Sommerspiele, wird dabei von Stockholm, Peking - Schauplatz der Sommerspiele 2008 -, dem ukrainischen Lwiw, dem polnischen Krakau und dem kasachischen Almaty herausgefordert. „Dass sich die Zahl der Bewerber im Vergleich zu den Spielen 2018 verdoppelt hat, beweist, dass Olympische Spiele nichts von ihrer Zugkraft eingebüßt haben“, sagte Bach. „Eher im Gegenteil.“