Kenias Leichtathletik-Chef von Olympia abgezogen
Rio de Janeiro (dpa) - Nach dem Doping-Ballyhoo um Russland sorgen nun Kenia und Olympia-Gastgeber Brasilien für Unruhe und Besorgnis während der Rio-Spiele. Kenias Leichtathletik-Chef Michael Rotich musste sein Zimmer im olympischen Dorf wegen des Verdachts auf Doping-Beihilfe verlassen.
„Wir haben sofort reagiert und den Teammanager zurückgezogen, so dass wir untersuchen können, welche Rolle er spielt“, bestätigte Evans Bosire, Sprecher des nationalen Verbandes Athletics Kenya (AK) der „Sunday Times“.
Spitzenfunktionär Rotich war am Samstag in einem in Zusammenarbeit der englischen Zeitung mit der ARD entstandenen Fernsehbericht beschuldigt worden, gegen Geldzahlungen Sportlern seines Landes verraten zu haben, wann sie Dopingkontrollen zu erwarten haben. In dem Film wird Rotich gezeigt, wie er in einem mit versteckter Kamera gefilmten Gespräch sagt, dass er zwölf Stunden vorher wisse, wann Dopingtests stattfinden würden. Auf die Frage, ob er dieses Wissen für drei Monate gegen eine Pauschale von 9000 Pfund (rund 10 600 Euro) weitergeben würde, antwortete er: „Sagen wir 10 000 Pfund.“
Dies seien schwerwiegende Anschuldigungen. Deshalb könne man nicht dulden, dass „jemand mit so einem Charakter unser Team managt“, erklärte Bosire. „Wir können das nicht unter den Teppich kehren.“ Wie der Verbandssprecher weiter sagte, werde nun geprüft, ob man die Sache der Polizei übergebe. Die Entscheidung, Rotich nach Hause zu schicken, sei zusammen mit dem Nationalen Olympischen Komitee Kenias getroffen worden.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat die kenianische Agentur ADAK aufgefordert, die notwendigen Untersuchungen in dem Fall ohne Verzögerung einzuleiten, hieß es in einer Erklärung. „Die erhobenen Vorwürfe der „Sunday Times“ und der ARD vermitteln den Eindruck, dass es sich um eine schwere Verfehlung und einen Bruch der Anti-Doping-Regeln handelt.“
Auch das IOC sprach von „ernsthaften Anschuldigen“. Man wolle nun auf die Beweise dafür warten, sagte IOC-Sprecher Mark Adams und wies aber auch darauf hin, dass Kenias Leichtathleten zu am häufigsten getesteten überhaupt gehörten.
Er ist nicht der einzige Leichtathletik-Funktionär des Landes, gegen den im Zusammenhang mit Doping und Betrug Untersuchungen laufen. Außerdem wird zurzeit gegen drei Offizielle ermittelt: Gegen das frühere Council-Mitglied des Weltverbandes IAAF, David Okeyo, den ehemaligen AK-Präsidenten Isaiah Kiplagat und den Ex-Schatzmeister Joseph Kinyua.
Erst vor wenigen Tagen strich die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA die Lauf-Nation Kenia von der Liste der Länder, die die Regeln des Welt-Anti-Doping-Codes nicht erfüllen.
ARD-Studiogast Richard Pound, der die unabhängige Kommission zur Aufklärung des systematischen Dopings in der russischen Leichtathletik leitete, sagte, der Kenia-Beitrag reiche aus, um dort „Untersuchungen wie in Russland“ anzustellen. „Wir müssen da alles durchwühlen und durchpflügen“, sagte das Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees.
„Schlimm ist es, dass so etwas passiert. Der Teamleiter ist aber verwiesen, und es ist angesprochen worden“, sagte Idriss Gonschinska, Cheftrainer der deutschen Leichtathleten am Sonntag. Ein Wandel vollziehe sich nicht in einem halben Jahr. „Da müssen neue Werte aufgebaut werden, und dazu braucht es auch eine neue Funktionärsgeneration.“
Für große Verwunderung sorgt, dass Olympia-Gastgeber Brasilien kurz vor den Spielen für einen Monat die Dopingtests eingestellt hat. Einen entsprechenden Bericht der britischen Zeitung „Times“ bestätigte das Sportministerium. Das Internationale Olympische Komitee, dass im russischen Doping-Skandal unter Druck geraten ist, findet diese Kontrolllücke nicht so erheblich. „Wir vertrauen sehr darauf, dass die Brasilianer ordnungsgemäß getestet wurden“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams.