Ohrfeige für Bach durch Paralympics-Bann der Russen

Rio de Janeiro (dpa) - Vom Sportgerichtshof zurückgepfiffen, vom Behindertenverband vorgeführt: Die Anti-Doping-Politik in der hochbrisanten Russland-Causa hat sich für das Internationale Olympische Komitee und ihrem umstrittenen Chef Thomas Bach zum Desaster entwickelt.

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Am Sonntag zeigte das Internationale Paralympics Komitee (IPC) Russland die Rote Karte und ging damit deutlich weiter als Bach und die IOC-Führungsspitze, die entschieden den Komplett-Ausschluss russischen Athleten abgelehnt hatte.

Für seine Politik erntete Bach große Kritik, auch die NADA-Vorstandsvorsitzenden Andrea Gotzmann legte noch einmal nach. Man hätte verschiedene Szenarien, wohin das führen könne, rechtzeitig durchspielen sowie entsprechende Maßnahmen vorbereiten können. „Das hätten wir vom IOC erwartet“, monierte Gotzmann und warf dem IOC vor, die Situation schlecht gemeistert zu haben - zumal der Internationale Sportgerichtshof CAS den fragwürdigen Russland-Beschluss des IOC fast schon erwartungsgemäß wieder einkassierte.

Dabei hatte Bach stets „null Toleranz“ im Anti-Doping-Kampf gefordert, nun wurde er vom Leichtathletik-Weltverband und vom IPC in dieser Angelegenheit rechts und links überholt. „Das System in Russland ist korrupt“, lautete das knallharte Urteil von IPC-Chef Philip Craven und betonte: „Der McLaren-Report markierte meiner Ansicht und auch der Ansicht des IPC-Vorstands nach einen der dunkelsten Momente des Sports.“ Russland sei „nicht in der Lage, dem Anti-Doping-Code des IPC und dem Anti-Doping der WADA zu entsprechen.“

Russland reagierte mit Empörung auf die Entscheidung und kündigte einen Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS an. Sportminister Witali Mutko unterstellte der WADA, ausschließlich Russland nachzustellen. Nach seinen Informationen will die WADA alle Proben der russischen Sportler bei den Paralympics 2012 und 2014 erneut testen will. „Mein Eindruck ist, dass die WADA nach der Kritik vom IOC kein anderes Ziel als Russland hat.“

Das IOC wollte die Maßnahmen der Kollegen nicht groß kommentieren. „Das ist deren Entscheidung“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams zum IPC-Beschluss. „Der russische Verband war in die Sotschi-Ereignisse verwickelt, und das wiegt am schwersten.“ In überrasche ein kompletter Ausschluss nicht.

Gegen eine solche Maßnahme hatte sich Bach ausgesprochen, die Kritik an dieser Entscheidung überlagerte den Auftakt der Spiele - zumal der CAS seine Beschlüsse quasi rückgängig gemacht hatte. So musste das IOC notgedrungen zahlreiche Sportler mit Doping-Vergangenheit wie etwa Julija Jefimowa das Startrecht erteilen. Mindestens 278 russische Athleten dürfen am Ende bei Olympia um Medaillen kämpfen.

Und das erste Gold für Russland sprang auch gleich zum Auftakt im Judo heraus. Beslan Mudranow triumphierte, was Russlands Präsident Wladimir Putin als früheren Judoka besonders gefreut haben dürfte. „Das wird nicht unsere letzte Medaille gewesen sein“, ergänzte Mudranow, was fast wie eine Drohung klang.

Auch der Chef des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, Alexander Schukow, konnte seine tiefe Genugtuung nicht verbergen: „Das ist unsere Antwort an all diese Missgünstigen. Die endgültige Antwort werden wir am Ende der Spiele sehen.“ Schwimm-Weltmeisterin Jefimowa wäre in den nächsten Tagen in mehreren Disziplinen eine Kandidatin, um Schukows Prophezeiung wahr zu machen. Sie und die Schwimmerinnen Natalia Lowzowa und Daria Ustinowa tauchten wie aus dem Nichts auf den Startlisten auf. Auch der zweimalige Ringer-Weltmeister Viktor Lebedew sei nun dabei.

Hintergrund des Hin und Her ist die CAS-Entscheidung, dass Sportlern auf Grundlage einer früheren Dopingsperre nicht die Teilnahme an den Olympischen Spielen verwehrt werden darf. Damit erhielten Bach und Kollegen die Quittung für ihre wenig durchdachte „Russland-Resolution“. Denn der CAS hatte bereits 2011 die sogenannte Osaka-Regel für nichtig erklärt. Die Regel sah vor, dass Dopingsünder automatisch von den nächsten Olympischen Spielen ausgeschlossen werden - praktisch eine Doppelbestrafung. Und auch bei einigen im McLaren-Bericht genannten Athleten reichte die Beweislage nicht für einen Ausschluss aus.

Die Doping-Affäre vergiftet auch die Stimmung unter den Sportlern. „Für einen Athleten wie mich, der sauber ist, ist das total frustrierend“, sagte die kanadische Schwimmerin Ryan Cochrane.

Zwischen dem australischen 400-Meter-Freistil-Schwimmer Mack Horton und dem für drei Monate wegen Dopings gesperrten Chinesen Sun Yang knisterte es ebenfalls gewaltig. „Er wollte mich begrüßen, ich habe nicht reagiert, weil ich keine Zeit für Dopingbetrüger habe.“

Deutschlands früherer Schwimm-Star Michael Groß kann dies gut verstehen. „Es ist erschütternd, was Menschen und Staaten um des Erfolges Willen tun. Diese Politisierung seitens der Russen - und nichts anderes ist es, wenn man den Geheimdienst losschickt, um Betrug zu kaschieren - macht mich wütend“, sagte der dreimalige Olympiasieger in der „Welt am Sonntag“.