Olympia 2016 in Rio als Wettlauf gegen die Zeit
Belek (dpa) - Auf den 10 000 Kilometern von Belek nach Rio de Janeiro scheint die dringliche Botschaft des IOC an Deutlichkeit verloren zu haben.
Auch nach den zahlreichen Warnungen und Maßnahmen des Internationalen Olympischen Komitees wegen der schleppenden Organisation der Sommerspiele 2016 ging in Brasilien alles seinen gewohnten Gang. Für den Olympia-Park Deodoro war dies gleichbedeutend mit der Fortsetzung des seit über eine Woche andauernden Streiks der 2000 Arbeiter. Und vom Rio-OK war zu vernehmen, dass es die Hilfe vom IOC schätze.
So dürfte der Schweizer Gilbert Felli als Direktor der Olympischen Spiele im IOC in den nächsten zwei Jahren zum wichtigsten Mann von Thomas Bach werden. Einige Monate früher als vorgesehen wird der 63-Jährige bereits von der kommenden Woche an die Rolle des Krisenmanagers übernehmen und nach Rio reisen. Felli, noch ein Mann aus der Ära von Bachs Vor-Vorgänger Juan Antonio Samaranch, war bereits an der Aufsicht einiger Olympischer Spiele beteiligt.
Rio 2016 dürfte aber auch für den gelernten Architekten Felli eine echte Herausforderung werden. Angesichts der Wahlen im Oktober dieses Jahres herrscht politischer Stillstand. Und auf den Baustellen kommt es immer wieder zu Arbeitsniederlegungen wegen der niedrigen Entlohnung und der schlechten Bedingungen.
Ein Bezirksgericht hatte am Mittwoch angeordnet, den Streik im Deodoro-Komplex, wo 2016 Wettkämpfe in acht Sportarten stattfinden sollen, zu beenden und in den nächsten 30 Tagen eine Regelung zu finden - offenbar ohne Erfolg. Ein Arbeiter sagte der Zeitung „Globo Esporte“, dass die Tätigkeiten „im Tempo einer Schildkröte“ und mit „zehn Prozent Aufwand“ weitergehen würden, sollten sie zur Rückkehr auf die Baustelle gezwungen werden.
Bei vielen Chefs der olympischen Sommersport-Verbände sind die Bedenken groß, dass Rio den Wettlauf gegen die Zeit verlieren könnte. Die Lage sei gar bedrohlicher als 2004 in Athen. Den Griechen hatte Samaranch damals die Gelbe Karte gezeigt. Auf derartige Schritte verzichtete Bach. „Es geht nicht um die Verteilung von Karten, sondern um die Sicherstellung der Spiele. Wir glauben weiter, dass die Spiele sehr erfolgreich sein können. Dafür haben wir die Maßnahmen ergriffen“, sagte der stark erkältete IOC-Chef Bach.
Zu den Maßnahmen gehören auch drei Task Forces mit den Schwerpunkten Baumaßnahmen, Organisation und Bevölkerung. Dazu soll ein Entwicklungsmanager in Rio installiert, ein hohes Entscheidungsgremium mit einer führenden IOC-Rolle gegründet und das Know-how der Fachverbände einbezogen werden. Über Verantwortlichkeiten für die missliche Situation wollte Bach nicht sprechen. Das könne man nach der Schlussfeier machen.
Bach wich allerdings der Frage aus, ob er bestätigen könne, dass die Spiele definitiv in Rio stattfinden. „Was ich kategorisch sagen kann, ist, dass wir alles dafür tun, um die Spiele zu einem Erfolg zu führen.“ Trotz der von einigen Verbandsvertretern ausgesprochenen Forderungen nach einem Plan B erscheint ein Entzug der Spiele angesichts des späten Zeitpunkts geradezu unmöglich.
Bach hat ein schweres Erbe von Jacques Rogge übernommen. Schon in Sotschi musste der gebürtige Franke die von Russlands Präsident Wladimir Putin instrumentalisierten Winterspiele angesichts vieler Kritikpunkte wie Menschenrechte, Umweltsünden oder Kostenexplosion verteidigen. Die nächsten zwei Jahre bis Rio dürften kaum entspannter werden. Dabei hat Bach große Pläne. Seine Agenda 2020 sieht unter anderem eine Reform des Vergabeverfahren, eine Erneuerung des olympischen Programms oder die Gründung eines olympischen TV-Kanals vor. Bis dahin muss er aber eine weitere Krise meistern.