Putins Ehrengast Bach und seine große Bewährungsprobe

Sotschi (dpa) - Thomas Bach wird bei den Sotschi-Spielen fast wie ein Superstar gefeiert. Bei seinen Wettkampf-Besuchen muss der IOC-Präsident ständig Autogramme schreiben oder für Fotos posieren, aber hinter den Kulissen türmen sich die Schwierigkeiten auf.

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Als Folge der problematischen Allianz mit Wladimir Putin droht der Ringe-Organisation ein schleichender Bedeutungsverlust. 48 Stunden vor der Schlussfeier am Sonntag verhagelte unter anderen ausgerechnet der deutsche Fall Evi Sachenbacher-Stehle dem fränkischen Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auch noch seine Doping-Bilanz. So hatte sich Bach die erste große Bewährungsprobe seiner knapp fünfmonatigen Amtszeit sicher nicht vorgestellt.

Der Balanceakt zwischen öffentlicher Verteidigung der Putin-Spiele und der Selbstbehauptung als eigenständige Instanz wurde mit zunehmender Dauer des olympischen Großereignisses immer schwieriger. Der 60 Jahre alte Jurist aus Tauberbischofsheim lobte bisher die „Weltklasse-Sportstätten“, „ausgezeichneten Bedingungen für die Athleten“, „hervorragenden olympischen Dörfer“ und die „fantastische Stimmung“. Von der unberechenbaren Politik Putins und den Konsequenzen daraus konnten sich Bach und das IOC bis jetzt nicht überzeugend distanzieren.

Der Kremlchef konnte die olympische Bühne unbehelligt zur Selbstdarstellung nutzen und gefährdete durch seine politischen Manöver auch die Autonomie des Sports. Putin gilt bei der Gewalteskalation in der Ukraine als der Strippenzieher im Hintergrund und tritt in Sotschi als großzügiger Gastgeber auf. In dieser Zwickmühle wurde die Ringe-Organisation zum Spielball - und machte dabei in der Öffentlichkeit eine unglückliche Figur.

Bach verurteilte - auch in Putins Anwesenheit - Diskriminierungen jeglicher Art und forderte Politiker auf, ihre Botschaften nicht auf dem Rücken von Athleten auszutragen. Eine konkrete Positionierung des IOC als unabhängige Kraft in moralischen Fragen blieb er bis jetzt schuldig. Oder er schickte zur Deeskalation IOC-Kommunikationsdirektor Mark Adams vor. Kritiker warfen ihm diese Zurückhaltung als Kneifen vor.

Der deutsche IOC-Chef will in seiner Rede bei der Abschlussfeier am Sonntag eine Einordnung der Sotschi-Spiele vornehmen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Jacques Rogge, der das Ringe-Spektakel meist mit einem Adjektiv bewertete, deutete der deutsche Ober-Olympier in einem Beitrag des russischen Fernsehens bereits an, sich in seinem Abschlussurteil nicht auf ein Wort beschränken zu wollen. Zudem stellt sich Bach Stunden vor der Schlusszeremonie der Weltpresse.

Dabei wird er auch erklären müssen, ob er nachhaltigen Schaden durch die belasteten Spiele an der Schwarzmeerküste befürchtet. Die Akzeptanz bei künftigen Olympia-Bewerbern steht auf dem Spiel. Beim Rennen um die Austragung der Winterspiele 2022 haben München, das schweizerische Graubünden und Stockholm ihre Bemühungen bereits zurückgezogen. Von den traditionellen Wintersportländern ist nur noch Norwegen durch Oslo vertreten. Die norwegische Regierung hat die erforderlichen finanziellen Garantien allerdings noch nicht gegeben. Bei einem Rückzug Oslos blieben nur noch Peking, Krakau, die kasachische Stadt Almaty und Lwiw (Ukraine) als Kandidaten übrig.