Rios schlechter Lauf: Was bei Olympia alles schief geht
Rio de Janeiro (dpa) - Eduardo Paes hat einen Traum: Heitere Spiele in einer wunderschönen Stadt, die danach jedes Jahr Millionen Touristen nach Rio de Janeiro locken. Das große Vorbild des Bürgermeisters lautet: Barcelona 1992.
Doch nach den vielen Pannen im Vorfeld, begleitet von der tiefen ökonomischen und politischen Krise, konstatierte er selbst schon vor der Eröffnung: Vielleicht ist es gerade nicht der beste Zeitpunkt, um im Fokus der Welt zu stehen.
Die erste Woche der Olympischen Spiele scheint ihm Recht zu geben. Beschwerden, Sicherheitsprobleme und Mängel: Rio hat bisher nicht gerade einen Lauf. Es sieht nicht so aus, als ob die Spiele als besonders gute in die Geschichte eingehen werden. Klar, es gibt positive Nachrichten, zum Beispiel die verbesserte Wasserqualität im Segelrevier der Guanabara-Bucht, Heldengeschichten wie das Judo-Gold für die aus einer Favela stammende Rafaela Silva, feiernde Fans. Aber das verblasst hinter Vielem, das schiefläuft. Ein Überblick:
SCHÜSSE: Gleich zwei Mal wurden Patronen im Reitzentrum in Deodoro gefunden, einmal schlug eine im Pressezelt ein, dann wurde eine im Stallbereich der Pferdesport-Anlage gefunden. Die Wettkämpfe finden hier in einem Militärkomplex statt, es wirft Fragen auf, warum die Herkunft der Patronen bisher unklar ist.
UN-SICHERHEIT: Ein Bus mit Olympia-Journalisten wird während der Fahrt attackiert, Scheiben gehen zu Bruch, zwei Verletzte. Steine sollen geworfen worden sein, sagt jedenfalls die Polizei. Der Fahrer stoppt, statt schnell mit den Journalisten vom Tatort wegzufahren. Was hätte passieren können, wenn hier geschossen wird? Es gab dieses Jahr Dutzende Überfälle in Rio, bei denen mit Waffengewalt Autos gestohlen oder Bus-Fahrgäste ausgeraubt wurden. Auch die Polizei ist Zielscheibe: Bei einer Favela gerät am Mittwoch eine Militäreinheit unter Beschuss, es gibt mehrere Verletzte, einer davon schwer.
HILFLOSE GASTGEBER: Der Sprecher des Organisationskomitees, Mario Andrada, bemüht sich redlich, aber er muss jeden Tag vorwiegend schlechte Nachrichten kommentieren, sich entschuldigen und rasche Besserung versprechen. Er hatte vor Olympia versichert, Rio werde während der Spiele die sicherste Stadt der Welt sein. Diebstähle selbst im olympischen Dorf stehen der These entgegen. Olympia-Sicherheitschef General Luiz Fernando Correra betont, die Kriminalitätsrate sei eigentlich gesunken. Das Gefühl der Unsicherheit sei auch Schuld der Medien, die hier über jeden Zwischenfall sofort berichtet würden. Eine bemerkenswerte Aussage.
LEERE STADIEN: Selbst beim in Brasilien so beliebten Beachvolleyball sind viele Plätze leer, kaum komplett gefüllte Stadien. Offiziell sind über 80 Prozent der Tickets verkauft worden, aber neben vielen ungenutzten Sponsorentickets sind Organisationsprobleme ein Grund. Allein am ersten Wettkampftag sind schätzungsweise bis zu 40 000 Plätze wegen Warteschlangen leer geblieben. Viele Zuschauer schafften es nicht rechtzeitig ins Stadion - wegen strenger Kontrollen und auch zu wenig Personal. Aber auch, weil Busse länger als geplant brauchten, das Transportsystem ist am Limit. Schüler bekommen nun Tickets geschenkt, um die Olympia-Stadien zu füllen.
SCHLECHTE VERSORGUNG: In den ersten Tagen gab es im Olympiapark Barra, vor allem aber im Sportkomplex Deodoro im Norden der Stadt, Ärger über fehlende Versorgung mit Wasser und Essen - Besuchern wurde erlaubt, dass Gelände wieder zu verlassen, um sich draußen etwas zu kaufen. Mittlerweile wird vielerorts Wasser umsonst ausgegeben. So richtig im Griff ist das Problem aber immer noch nicht.
KRITIK AN ANLAGEN: Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner meint: „Was ich persönlich schwierig finde, ist, dass es relativ dreckig überall ist, ob hier die Umkleiden oder im Dorf.“ Vieles sei provisorisch, viele Dinge gingen kaputt. Die deutsche Gewehrschützin Barbara Engleder äußert sich ähnlich: „Es regnet aus der Decke. In der Lobby ist seit Tagen ein riesiges Loch. Bei denen, die nach uns kommen, wird es wohl schimmelig.“ Immer wieder muss nachjustiert werden, nicht unüblich in den ersten Tagen - aber schon der Noteinsatz von 600 Putzkräften und Handwerkern, um das Olympiadorf bewohnbar zu machen, war ein äußerst peinlicher Start für die Rio-Organisatoren.