Umweltschützer beklagen Öko-Sünden in Sotschi

Sotschi (dpa) - Grün sind in Sotschi bei den ersten Winterspielen auf jeden Fall die Palmen am Schwarzen Meer - grüne Politik hat beim Olympia-Gastgeber Russland allerdings bis heute kaum Tradition.

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Ausländische Arbeiter aus verarmten Ex-Sowjetrepubliken in Zentralasien räumen auch eine Woche vor dem Eröffnungsspektakel an den Olympiaanlagen weiter Bauschutt beiseite. Überall in der Region Sotschi gebe es inzwischen wilde Deponien mit teils hochgiftigen Abfällen, schimpfen Umweltschützer.

Doch die russische Staatsführung lächelt solche Kritik wie ehedem weg - der Kurort habe sich zum touristischen Ganzjahresziel gemausert mit sauberer Luft und einer insgesamt verbesserten Ökobilanz, behauptet Bauminister Michail Men. Unter anderem sei die Naturschutzfläche ausgeweitet worden, sagt er der Agentur Interfax zufolge vor dem Start der Spiele am 7. Februar.

Umweltschützer von der internationalen Organisation Greenpeace oder vom World Wide Fund for Nature (WWF) sowie lokale Öko-Wächter sehen das allerdings anders. Sie beklagten von Anfang an nicht nur Zwangsumsiedlungen und unzureichende Entschädigungen für Bürger, sondern auch beispiellose Eingriffe in die bis dahin unberührte Natur mit ihren seltenen Pflanzen- und Tierarten.

Arbeiteten die unabhängigen Umweltexperten am Anfang noch mit den Organisatoren, so kündigten sie wenig später aus Ärger über die „vielen Ökosünden“ die Zusammenarbeit auf. Vieles sei für Olympia ohne Rücksicht auf Öko-Standards und ohne Expertengutachten gebaut worden - ein Werk etwa für die Verbrennung von Schlamm, kritisiert der russische Greenpeace-Experte für Umweltgifte, Alexej Kisseljow. Die Luft im Kurort werde durch die Anlage verpestet.

In einem Brief an den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, beschwerten sich mehrere Umweltorganisationen zudem, dass Behörden unabhängige Recherchen zu Öko-Fragen oder Kritik behindern würden. Über den an der Natur entstandenen Schaden sei im Land des Olympia-Ausrichters keine Diskussion möglich - ein Verstoß gegen die olympischen Regeln, betonen die Umweltorganisationen.

Seit Wochen setzen sich die Naturschützer für den inhaftierten Ökologen Jewgeni Witischko ein, der nach einem friedlichen Protest gegen den Raubbau an der Natur zu drei Jahren Straflager verurteilt wurde. Der Geologe und Wasserforscher hatte auch den unzulässigen Aushub von Kies aus den Bergflüssen der Region kritisiert.

Wer wie Witischko bei Olympia Umweltstraftaten aufdecke, riskiere seine Freiheit in Russland, kritisieren die Organisationen in ihrem Schreiben. Auch andere Aktivisten würden verfolgt. Die vom Kreml gesteuerten Staatsmedien dagegen zeigen fast ausschließlich die Glanzseiten des Prestigeprojekts von Präsident Wladimir Putin.

Kaum ein Olympia-Bauprojekt habe so viel Schaden angerichtet wie die Bahntrasse von Adler an der Schwarzmeerküste in die Wintersportregion Krasnaja Poljana in den Bergen des westlichen Kaukasus, schreibt der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny auf seiner Olympia-Seite. Für die Bahntrasse seien 150 Hektar Wald im Naturschutzgebiet gerodet worden. Der Abbau von Kies habe das Flussbett der Msymta so erweitert, dass immer mehr Wasser ins Schwarze Meer geflossen sei und dort teils die Strände zerstört habe.

Insgesamt seien 250 Hektar Waldfläche vernichtet worden, Lebensraum für Hirsche und Bären, schreibt Nawalny. Die wilde Rodung habe vielerorts den Boden destabilisiert und schwere Erdrutsche verursacht. Rund 50 wilde Müllhalden gebe es in und um Sotschi, kritisiert Nawalny. Stellenweise würden das Schwarze Meer, aber auch Grund- und Trinkwasser verschmutzt, heißt es in den von ihm veröffentlichen Recherchen unabhängiger Experten.

Weil der Ort des Ringespektakels in den Subtropen und damit in der wärmsten Region des größten Landes der Erde liegt, stören sich Umweltschützer auch an gewaltiger Energieverschwendung. Sollte es zu warm sein und nicht schneien, wollen die Organisatoren nicht nur Hunderte Schneekanonen einsetzen. Seit Jahren werden in gekühlten Depots auch Tausende Tonnen Schnee gehörtet - damit „Putins Spiele“ nicht grün, sondern tatsächlich weiß werden.